Bundesrat: Historische Wahl ohne Experimente

Mehr noch als der Berner Doppelsieg überwog aber der Triumph der Frauen, die nach der Wahl von Simonetta Sommaruga nun erstmals die Mehrheit in der Landesregierung stellen. Mit Pascale Bruderer als Nationalratspräsidentin, Erika Forster als Ständeratspräsidentin und Doris Leuthard als Bundespräsidentin wird 2010 definitiv als «Jahr der Frau» in die Schweizer Politgeschichte eingehen.


Hohe Stimmenzahl für Sommaruga
Und dies nur gerade 39 Jahre und sechs Monate nach der Einführung des Frauenstimmrecht in der Schweiz sowie knapp 26 Jahre, nachdem mit der Zürcher FDP-Vertreterin Elisabeth Kopp erstmals eine Frau im Bundesrat Einsatz nahm. Die beiden Neuen wurden in den Schlussgängen jeweils mit hohen Stimmenzahlen gewählt. Sommaruga bekam im vierten Wahlgang mit 159 eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Stimmen. Schneider-Ammann wurde im fünften Wahlgang mit 144 Stimmen in den Bundesrat gehievt.


Gelübde statt Eid
SVP-Kampfkandidat Jean-François Rime, der in beiden Schlussgängen «ins Sägemehl» musste, erhielt gegen Sommaruga 81 Stimmen und gegen Schneider-Ammann 93 Stimmen. Rime schaffte es immerhin, in beiden Wahlen je einen der offiziellen Kandidaten hinter sich zu lassen. Unmittelbar nach der Wahl wurden die beiden neuen Mitglieder des Bundesrats vereidigt. Sommaruga legte statt des Eids das Gelübde ab. Schneider-Ammann entschied sich für den traditionellen Amtseid mit drei zum Schwur erhobenen Finger ab.


Vertrauen zurückgewinnen
Vor der Presse betonten beide, dass sie das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik zurückgewinnen wollten. Über ihre Präferenzen bei der Departementsverteilung hielten sie sich bedeckt. Sommaruga zeigte sich «offen für alle Departemente, während Scheider-Ammann betonte, dass er «nicht Jurist sei». Über die Frage will der Bundesrat in neuer Besetzung am nächsten Montag diskutieren. Bei den Parteien herrschte nach den Bundesratsersatzwahlen grösstenteils Zufriedenheit – vor allem bei FDP und SP, die ihre Sitze ins Trockene bringen konnten. Weniger locker nahm die SVP den Wahlausgang.


SVP nicht ganz unerwartet verärgert
Die SVP fuhr ihren politischen Gegnern nach den Wahlen hart an den Karren. Den anderen Parteien sei die Machterhaltung wichtiger als die Stabilität und die breite Akzeptanz der Landesregierung. Dieses Verhalten sei gegen das Wohl des Landes, liess sie in einem Communiqué verlauten. In der «Elefantenrunde» des Schweizer Fernsehens konterte FDP-Präsident Fulvio Pelli SVP-Vorwürfe, wonach die FDP mit der SP ein Päckli vereinbart hätten. Mit ihrem Sprengkandidaten Jean-François Rime habe die SVP eine gegen die FDP gerichtete Strategie verfolgt, sagte Pelli demgegenüber.


Friede, Freude, Eierkuchen bei der SP
Mit «grosser Enttäuschung» reagierten dagegen die FDP-Frauen Schweiz auf die Nichtwahl von Karin Keller-Sutter. Bei den Grünen dagegen hielt sich die Enttäuschung über die Nichtwahl von Brigit Wyss in Grenzen. Die Partei wertete das Abschneiden als «Achtungserfolg». Friede, Freude, Eierkuchen herrschte bei der SP. Die Bundesversammlung habe ungerechtfertigte Angriffe der SVP deutlich abblitzen lassen. Damit sei der Wählerwille respektiert worden. Mit Sommaruga komme eine ausgewiesen kompetente Politikerin und Teamplayerin ins Bundesrats-Kollegium, schrieb die SP.


Departemente werden am Montag verteilt
Über die Departementsverteilung wird der Bundesrat nächsten Montag entscheiden. Dies hatte Bundespräsidentin Doris Leuthard letzten Freitag angekündigt. Ob der Bundesrat die Departemente vorher neu aufteilt, ist offen. Die Entscheide zur Regierungsreform sind für den Herbst angekündigt. Es scheint daher naheliegend, dass der Bundesrat über eine mögliche Neuaufteilung der Departemente befindet, bevor er diese neu verteilt.


Anciennitätsprinzip
Bundesratssprecher André Simonazzi wollte am Mittwoch jedoch nicht sagen, ob die Regierungsreform für Montag traktandiert ist. Er bekräftigte lediglich, dass die Departemente am Montag verteilt werden sollen. Bei diesem Vorgang dürfen zuerst jene Bundesratsmitglieder ihre Wünsche äussern, die am längsten im Amt sind. Die amtsälteste Bundesrätin, Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, dürfte gegen Ende der Legislatur und im Alter von 65 Jahren nichts Neues mehr anpacken wollen.


Leuthard ins UVEK?
Offen ist, ob auch Doris Leuthard, die am zweitlängsten im Amt ist, in ihrem Departement bleiben will. Ihre Partei drängt sie zum Wechsel: CVP-Präsident Christophe Darbellay möchte, dass sie anstelle des Volkswirtschaftsdepartements das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunkation (UVEK) übernimmt. Leuthard selbst hatte sich im Vorfeld nicht abgeneigt gezeigt. Sie sagte aber, sie wolle zunächst abwarten, wer neu in den Bundesrat gewählt werde, erst dann stelle sich die Frage, was aus dem Volkswirtschaftsdepartement werde.


Maurer dürfte im VBS bleiben
Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf könnte sich als ehemalige Finanzdirektorin des Kantons Graubünden allenfalls für das Finanzdepartement interessieren. Verteidigungsminister Ueli Maurer hatte im Vorfeld einen Wechsel zwar nicht ausgeschlossen, aber betont, es gefalle ihm in seinem Departement gut. Bei Innenminister Didier Burkhalter ist ein Wechsel unwahrscheinlich: Er ist erst seit einem Jahr im Amt. Die beiden neu gewählten Bundesratsmitglieder, Simonetta Sommaruga und Johann Schneider-Ammann, äusserten am Mittwoch keine Präferenzen. (awp/mc/ps/32)

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