Gregor Dürrenberger, CEO Ecospeed SA: «Wir rechnen für die kommenden Jahre mit einem Wachstum im hohen zweistelligen Bereich»

von Patrick Gunti


Herr Dürrenberger, die Ecospeed SA entwickelt seit fünf Jahren praxisorientierte Software zur Bilanzierung von Energie-, CO2- und weiteren Stoffflüssen. An wen richtet sich die Software ECO2-Regio?


Die Regio-Software richtet sich in erster Linie an Städte bzw. Gemeinden, die eine CO2- oder Treibhausgasbilanz erstellen wollen. Sie kann aber auch für grössere Gebiete wie Kantone oder Länder eingesetzt. Was eine Region ist, kann flexibel definiert werden.


Was leistet ECO2-Regio?


Es handelt sich um eine on-line Software. Der Kunde muss keine Programme installieren und keine updates herunterladen. Die Software läuft auf unseren Servern und als Schnittstelle dient der Internet-Browser des Kunden. Mit ECO2-Regio werden die Energieverbräuche und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen einer Region für die Bereiche Haushalte, Wirtschaft und Mobilität berechnet. Es werden 20 Energieträger erfasst, wobei auch die sogenannten vorgelagerten oder «grauen» Energieaufwendungen einbezogen werden können. Die Software bietet dem Kunden auch viel Unterstützung an. Falls er oder sie in einem speziellen Bereich keine lokalen Daten besitzt, weil z.B. das statistische Amt seiner Kommune diese Daten nicht erhoben hat, können mit wenigen Mausklicks Näherungsdaten gemäss dem Landesdurchschnitt und der eigenen Gemeindestruktur erzeugt werden. Oder wenn in Zeitreihen Lücken vorhanden sind, können diese Lücken durch Interpolation gefüllt werden.


Wie sieht das Profil aus, welche Eigenschaften werden berücksichtigt?


Es werden die Bereiche Wirtschaft, Haushalte und Mobilität modelliert. Je nach Version sind diese Bereiche unterschiedlich detailliert erfasst. Im Bereich Wirtschaft beispielsweise unterscheidet die einfache Version nach 4 Wirtschaftssektoren, die komplexe nach Branchengruppen; im Bereich Mobilität werden in der einfachen Version 4 Fahrzeugkategorien auf Strasse und Schiene unterschieden, in der komplexen 9. Sodann erfasst die schlanke Version nur Monitoring Daten (1990 bis Gegenwart), die detaillierte Version erlaubt zudem die Modellierung unterschiedlicher Szenarien für die Zukunft, um damit beispielsweise verschiedene Massnahmen auf Ihre Auswirkungen hin vergleichen zu können.


Welche Daten müssen vorliegen?


Minimal muss das sogenannte Mengengerüst einer Region vorliegen, also die Beschäftigtendaten (nach Branchen) sowie die Einwohnerzahlen (nach Haushaltsgrössen). Mit Hilfe von nationalen Kennzahlen, pro-Kopf Energieverbräuche der Beschäftigten und der Einwohner nach Energieträgern, kann daraus eine Grobbilanz erstellt werden. Diese weicht im Normalfall mehr oder weniger stark von der «realen» Bilanz ab. Deshalb ist es wichtig, dass diese Bilanz mit den lokalen Verbrauchsdaten kalibriert wird. In der Regel liegen die Gesamtverbräuche der leitungsgebundenen Energieträger (Strom, Gas, Fernwärme) vor. Manche Regionen besitzen auch Schätzungen zum Heizölverbrauch oder Hochrechnungen über den Treibstoffverbrauch. ECO2-Regio führt den Benutzer systematisch durch alle relevanten Verbrauchsbereiche und unterstützt ihn oder sie in der Datenanaufbereitung  und Datenvervollständigung.


ECO2-Regio ist ein Grobbilanzierungstool. Besteht die Möglichkeit, das Angebot in Richtung Detailbilanzen zu erweitern?


ECO2-Regio ist die Bezeichnung für eine Produktfamilie. Die einfachste Version nennen wir «smart» und entspricht einer Grobbilanzierung. Hier geht es nicht um Detailbetrachtungen, sondern um einen Überblick über die hauptsächlichsten Emissionsquellen. Sodann gibt es die komplexere Version «basic». Hier können Benutzer die Quellen differenzierter erfassen und auch Szenarien berechnen lassen. Sodann können neben dem CO2 auch andere Luftschadstoffe, die der Energiekonsum mit sich bringt, erfasst werden.


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Zuletzt hat sich das Klima-Bündnis in Deutschland für den Einsatz von ECO2-Regio entschieden. Wo wird die Software heute überall eingesetzt?


Das Klimabündnis der Schweiz, dem 20 Städte angehören, hat ECO2-Regio bereits früher als Bilanzierungsinstrument gewählt. Sodann lassen die zwei Dutzend Städte und Kantone, die sich im Rahmen des sogenannten «Cercle Indicateur» zu einem Nachhaltigkeits-Monotoring entschlossen haben, ihre pro-Kopf Energieverbräuche und CO2-Emissionen mit unserer Software berechnen. Die Konferenz der kantonalen Energiefachstellen benutzt die Software zur Berechnung und Kalibrierung der kantonalen Emissionsbilanzen. Die Stadt Zürich setzt die Software im Rahmen der Entwicklung ihrer Energievision 2020 für die Szenarienbildung ein.


«Wir unterstützen Firmen, Eventveranstalter oder Gemeinden  mit Hilfe dieses Instruments, die Themen Energieverbrauch, CO2-Emisionen und Klimawandel bürgernah zu vermitteln.» (Gregor Dürrenberger, CEO Ecospeed SA)


Sie beschränken sich nicht auf Entwicklung und Absatz der Software, sondern bieten auch Beratungs-Dienstleistungen an. Zu welchen Themen?


Hier geht es einerseits um Beratungen im Bereich des Datenmanagements wie Datenbeschaffung, -aufbereitung und -interpretation. Jedes Modell ist nur so gut wie die Daten, die es verarbeitet. Deshalb muss der Datenseite ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zum anderen engagieren wir uns auch im Bereich Aufklärung und Sensibilisierung. Dazu haben wir eine Software zur Bilanzierung des persönlichen Energieverbrauchs und der damit verursachten CO2-Emissionen entwickelt. Wir unterstützen Firmen, Eventveranstalter oder Gemeinden  mit Hilfe dieses Instruments, die Themen Energieverbrauch, CO2-Emisionen und Klimawandel bürgernah zu vermitteln. Ein Beispiel ist etwa die in-house Sensibilisierungskampagne für Novartis International, die wir zusammen mit einem Grafikbüro realisiert haben.


Klimawandel, Energiesparen oder Reduzierung des CO2-Ausstosses sind heute endlich zu omnipräsenten Themen geworden. Wie hat sich die Nachfrage nach ECO2-Regio entwickelt?


Das Interesse ist deutlich gestiegen. Der Vertragsabschluss mit dem Klima-Bündnis Deutschland Anfang dieses Jahres ist ein Gradmesser dafür. Auch aus Frankreich und anderen Ländern melden sich inzwischen Interessenten und insbesondere spüren wir ein gestiegenes Interesse seitens Unternehmen am Einsatz von ECO2-Privat.


Von welchen Wachstumsraten gehen Sie für die kommenden Jahre aus?


Wir rechnen für die kommenden Jahre mit einem Wachstum im hohen zweistelligen Bereich, nicht primär in der Schweiz, sondern in Deutschland und dann auch in weiteren Mitgliedländern der EU. Einen grossen Anteil erhoffen wir uns dabei aus dem Unternehmensbereich. Gegenwärtig sind wir daran, eine Bilanzierungssoftware für Unternehmen zu konzipieren und zu entwickeln. Der erste Release sollte Ende 2007 oder Anfang 2008 vorliegen.


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Ein weiterer Gradmesser, wie aktuell das Thema ist, dürfte ECO2-Privat sein, womit jede und jeder online den persönlichen Energieverbrauch berechnen kann. Wie viele Abfragen verzeichnen Sie derzeit monatlich?


Das ist natürlich schwankend. Im Mittel berechnen zwischen 100 und 400 Personen pro Tag ihre Bilanz mit unserem Tool. Wenn ein prominenter Medienbericht erscheint, nehmen die Zugriffe massiv zu. Im März dieses Jahres hat etwa der Spiegel eine CO2-Reportage veröffentlicht und auf unseren Rechner verwiesen. Wenige Stunden nach Erscheinen des Berichts hatten schon weit über 1000 Leute ihre Bilanz mit ECO2-Privat berechnet.


Die Klimarelevanz des persönlichen Energiekonsums im Detail zu kennen ist unabdingbar, um die richtige Priorität für die Reduktion des Energieverbrauchs zu setzen. Welche Unterstützung bietet dabei ECO2-Privat?


Das Instrument gibt Personen, die sich nicht oder nur selten mit Energie- und CO2-Fragen beschäftigen einen sehr guten Einstieg in die Thematik. Schnell sieht man, in welche Aktivitäten viel Energie fliesst, in welche eher wenig, wo Sparanstrengungen wirklich etwas bewirken und was nur wenige Auswirkungen auf den Gesamtverbrauch bzw. die Gesamtemissionen hat. Sodann sieht man auf einen Blick, ob man mehr oder weniger Emissionen verursacht als ein Durchschnittsbürger, und in welchen Bereichen das der Fall ist. Versierte Benutzer können mit dem Rechner ihr Sparpotential ausloten und Massnahmen simulieren.


«Im Vergleich zu anderen Instrumenten ist ECO2-Privat sicher das wissenschaftlichste.» (Gregor Dürrenberger, CEO Ecospeed SA)


Welche Bereiche werden berücksichtigt?


Wir unterscheiden die Bereiche Heizen/Warmwasser, Elektrogeräte, Mobilität, Ernährung und diverser Konsum. Dabei muss gesagt werden, dass wir eine Gesamtbilanz erstellen. Es wird nicht nur der direkte Energieverbrauch berücksichtigt, also der bezogene Strom, das getankte Benzin, das verheizte Öl, sondern auch die Energie, welche in der Wirtschaft aufgewendet werden musste, um die Güter und Dienstleistungen zu produzieren, welche ich als Konsument kaufe. Benutzer erhalten also eine verursachergerechte Gesamtbilanz. Natürlich kann auch nur der direkte Energieverbrauch angezeigt werden lassen.


Es gibt mittlerweile eine Vielzahl Online-Energieverbrauchsrechner. Worin unterscheidet sich derjenige von Ecospeed von anderen und auf welchem Datenmaterial beruht er?


Unser Instrument basiert auf recht detaillierten Daten, die nach wissenschaftlichen Bilanzierungsmethoden verrechnet werden. Dazu gehören Daten zum Energieverbrauch von Geräten  und Fahrzeugen, Energiekennzahlen von Gebäuden, Energieverbrauchsdaten von Haushalten, Klimadaten um den Einfluss der Aussentemperaturen auf den Heizenergiebedarf zu berücksichtigen, Daten zum Mobilitäts- und Kaufverhalten, Emissionsfaktoren, etc. Das Bilanzierungsmodell im Hintergrund ist recht komplex. Im Vergleich zu anderen Instrumenten ist unser Tool sicher das wissenschaftlichste. Personen, die nicht in alle Details gehen wollen, können allerdings unsere schlanke Version benutzen. Gegenüber Konkurrenzprodukten ist ECO2-Privat auch viel spielerischer aufgebaut. Das Instrument reagiert in real-time auf Eingabeänderungen und Benutzer erhalten nicht nur eine einzige nackte Zahl als Output, sondern können eine Fülle von verschiedenen Resultaten erzeugen.


Herr Dürrenberger, besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen!





Zur Person:
Dr. Gregor Dürrenberger studierte Naturwissenschaften und promovierte 1987 an der ETH Zürich. Seit 1990 arbeitet er in den Bereichen Klimaforschung und Energiemodellierung, zunächst an der ETH Zürich, 1995-2000 an der EAWAG und gegenwärtig mit Ecospeed SA.


Zum Unternehmen:
Die Firma Ecospeed SA entwickelt seit dem Gründungsjahr 2002 praxisorientierte und internetbasierte Software zur Bilanzierung von Energie-, CO2- und weiteren Stoffflüssen und berät und unterstützt Unternehmen und Behörden bei der Konzeption und Durchführung von Informations- und Sensibilisierungs-Kampagnen in den Bereichen Energie und Klima. Bis 2007 ist das Unternehmen ein Spin-off der ETH Zürich.

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