Hanspeter Hess, Direktor des Verbandes Schweizerischer Kantonalbanken VSKB

von Patrick Gunti


Herr Hess, die Kantonalbanken haben in ihrem Jubiläumsjahr 2007 den Gewinn auf die Rekordsumme von 3,1 Mrd. Franken gesteigert, was einem Plus von 4,8 % entspricht. Welches sind die Hauptgründe für das gute Resultat?


Besonders freut uns an diesem guten Resultat, dass es unter zweifellos anspruchsvollen Rahmenbedingungen realisiert werden konnte. Alle 24  Institute waren erfolgreich und keines ist von der Subprime-Krise direkt betroffen. Ein zentraler Erfolgsfaktor der Kantonalbanken ist ihre unmittelbare Nähe zur lokalen Kundschaft. Sie tätigen in der Regel nur Geschäfte, die einen Bezug zu einem Finanzdienstleistungsbedürfnis der Kundschaft in ihrem Tätigkeitsgebiet haben. Auf diese Weise verstehen sie nicht nur die Geschäfte, die sie tätigen, sondern auch die Kunden. Entsprechend können sie auf Veränderungen rasch reagieren. Zudem zahlen sich die Bestrebungen der letzten Jahre im Bereich der Kosten- und Risikokontrolle aus. Als weitere Gründe für das gute Ergebnis und die erfolgreiche Marktposition sind zu erwähnen: ihre starke Marke, die auch für Kompetenz und Sicherheit steht, sowie eine auf Kontinuität und Verlässlichkeit ausgerichtete Geschäftspolitik.


Das Zinsengeschäft bleibt wichtigster Ertragspfeiler, mit einem Plus von 5,1 % wurden Erträge von 5,3 Mrd. Franken generiert. Im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft stieg der Erfolg um 6,3 % auf 2,4 Mrd. Franken. Wie werten Sie das Ergebnis?


Die Kantonalbanken konnten ihre führende Marktposition im Hypothekargeschäft behaupten. Darüber hinaus konnten sie auch im KMU-Segment das Ausleihungsvolumen ausbauen. Das zinstragende Geschäft ist seit jeher der wichtigste Ertragspfeiler der Kantonalbanken. Gleichzeitig hat auch das Anlagegeschäft der Kantonalbanken eine erfreuliche Entwicklung erfahren, die ihren Niederschlag in einer Zunahme von Kommissions- und Dienstleistungserträgen findet. Von den Anlagekunden wird besonders geschätzt, dass ihnen auch für Vermögen von deutlich unter 1 Mio. CHF eine individuelle Beratung offeriert wird. Der in den letzten Jahren stetig gestiegene Anteil des Kommissionsgeschäftes am gesamten Bankertrag zeigt zudem, dass die von vielen Kantonalbanken angestrebte bessere Ertragsdiversifikation erreicht wird.


Die Turbulenzen an den Finanzmärkten als Folge der Subprime-Krise haben ihre Spuren hinterlassen und einen um 15,7 % tieferen Handelserfolg mit sich gebracht. Welchen Einfluss hatte die Subprime-Krise sonst auf die Kantonalbanken?


Das auf Vertrauen und Kontinuität ausgerichtete Geschäftsmodell der Kantonalbanken erfährt aktuell eine besondere Wertschätzung. Keine Kantonalbank ist von der Subprime-Krise tangiert. Selbstverständlich spüren auch sie die tieferen Aktienkurse, eine gewisse Verunsicherung und eine daraus hervorgehende Zurückhaltung bei Börsentransaktionen. Auf der anderen Seite hat die Verunsicherung vieler Kunden auch positive Auswirkungen: Sie suchen einen Bankpartner, der für Sicherheit und Stabilität steht. Der Sicherheitsaspekt steht für die Kundschaft wieder stark im Vordergrund.


Die Kantonalbanken spüren also ganz generell als Folge der Krise einen Zulauf von Kunden der hauptsächlich betroffenen Grossbanken?


Diese Frage lässt sich eindeutig bejahen. Kundenbewegungen gibt es immer, aber das Interesse von Neukunden liegt deutlich höher als noch vor einem Jahr. Die Ereignisse sind noch recht aktuell und erfahrungsgemäss ist der Wechsel einer Bankbeziehung kein Spontanentscheid. Es ist deshalb zu erwarten, dass der stärkere Zuspruch anhalten wird. Dabei geht es aber nicht nur um Neukunden, sondern auch um Vermögensumschichtungen, die bei bestehenden Geschäftsbeziehungen feststellbar sind.


Wie beurteilen Sie die Folgen der Kreditkrise und welche Lehren lassen sich aus Ihrer Sicht daraus ziehen?


Wie die Erfahrung zeigt, gibt es derartige Krisen in Teilbereichen, welche dann Auswirkungen auf das ganze Finanzsystem haben, immer wieder. Die aktuelle wird auch nicht die letzte gewesen sein. Entscheidend ist, dass eine Bank über ein Geschäftsmodell verfügt, das auf echten Kundenbedürfnissen basiert und gleichzeitig Risiken und Kosten konsequent unter Kontrolle hat.

Ebenfalls zeigt sich, dass Eigenmittel als Puffer für Erschütterungen in ausreichendem Mass vorhanden sein müssen. Jene Stimmen, auch professorale, die noch vor Kurzem bei vielen Kantonalbanken eine Rückzahlung von Eigenmitteln verlangt haben, sind verstummt. Es ist noch nie eine Bank an zu vielen Eigenmitteln zugrunde gegangen. Schliesslich ist bei der jetzt aufkommenden Forderung nach aktiver Regulierung klar zu differenzieren: Institute wie die Kantonalbanken, welche mit der Ursache der jüngsten Krise gar nichts zu tun haben, dürfen nicht das Opfer einer pauschalen Neuregulierung sein. Wir werden uns für dieses Anliegen einsetzen.



«Kundenbewegungen gibt es immer, aber das Interesse von Neukunden liegt deutlich höher als noch vor einem Jahr.» (Hanspeter Hess, Direktor VSKB)


Die Kantonalbanken bleiben Marktführer im Hypothekargeschäft. Das Volumen wuchs um 2,4 auf 232,6 Mrd. Franken. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Zinssätze?


Obwohl die konjunkturellen Aussichten für die Schweiz gut sind, bleiben die Auswirkungen der US-Immobilien- und Finanzkrise auf die Weltwirtschaft und auf die Entwicklung der Inflation unsicher. Die Schweizerische Nationalbank berücksichtigt alle Elemente bei der Festlegung der Geldpolitik. Viele Experten rechnen aber mit leicht höheren Zinsen.


Der Anteil der Festhypotheken beträgt rund 80 %. Wie sieht das Verhältnis im Neugeschäft aus?


Im Neugeschäft war im Jahre 2007 wieder ein stärkeres Interesse für variabel verzinste Hypotheken festzustellen. Dieses hat sich in den letzten Monaten wieder etwas abgeschwächt. Je nach Kantonalbank liegt der Anteil der variablen Hypotheken im Neugeschäft zwischen 25 und 50%.


Wie hat sich die Kreditvergabe an die KMU im vergangenen Jahr entwickelt?


Die nicht hypothekarisch gedeckten Ausleihungen stiegen um erfreuliche 6% auf 42,8 Mrd. CHF und sind Spiegelbild der guten Konjunktur und der höheren Investitionsbereitschaft, aber auch einer dauerhaften und gegenseitigen Wertschätzung.


Wie haben die Kantonalbanken im Anlagegeschäft gearbeitet?


Auch die Kundenvermögen – Depot-Vermögen, Treuhandgelder, Spar- und Kundengelder und eigene Kassenobligationen – haben sich um 3,1% auf 532,6 Mrd. CHF erhöht, trotz zum Teil schwierigen Börsenverhältnissen. Die Kantonalbanken sind auch als Anlagepartner anerkannt.


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Die Kantonalbanken wachsen und stossen in ihrem angestammten Gebiet an Grenzen. Wie stehen Sie zur Tendenz, in einigen Bereichen über die kantonalen Grenzen hinaus zu expandieren?


Gerade im Anlagegeschäft, aber auch im Geschäft mit grossen Firmenkunden,  ist eine Tätigkeit über die kantonalen Grenzen hinweg bereits seit vielen Jahren gelebte Realität. Gleichzeitig bietet aber auch das eigene Marktgebiet – wie die aktuelle Finanzmarktkrise zeigt – immer noch Möglichkeiten. Nach wie vor bietet die Steigerung der Produktenutzung bei bestehenden Kunden ein erhebliches Wachstumspotenzial. Da die Kenntnis der eigenen Kunden und des Wirtschaftsraumes, in dem sie tätig sind, eine Kernkompetenz der Kantonalbanken ist, wird diese grenzüberschreitende Entwicklung im bilanzbezogenen Geschäft, insbesondere bei der Kreditvergabe, begrenzt bleiben.


Wie stellen Sie sich zur erneut aufgeflammten Diskussion um Steuervorteile und Staatsgarantien für die Kantonalbanken?


Hier gilt es, die Realitäten im Auge zu behalten: Bei den Kantonalbanken ist der Kanton alleiniger oder bedeutender Eigentümer. Und von einem solchen – auch von privaten – wird erwartet, dass er zu seinem Unternehmen steht, auch in Krisenzeiten. Die Rolle des Staates ist also eine ganz andere und hat nichts mit einer externen Garantiestellung zu tun, wie sie aktuell in den USA (Bear Stearns), England (Northern Rock) oder Deutschland (IKB) zu sehen ist.

Die Frage der Steuerpflicht hat nichts mit den Kantonalbanken, sondern mit der jeweiligen kantonalen Gesetzgebung und der Regelung für kantonale Anstalten zu tun. Fast alle Kantone sehen für Anstalten des kantonalen Rechts – auch für Elektrizitätswerke, Gebäudeversicherungen etc. – eine Steuerbefreiung vor. Als Aktiengesellschaft sind auch Kantonalbanken steuerpflichtig.


Im Kanton Bern ist eine schrittweise Aufhebung der Staatsgarantie im Gang, in anderen Kantonen sind entsprechende Bestrebungen im Gang. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?


Grundsätzlich entscheiden nicht die Rechtsform oder die Staatsgarantie über den Erfolg einer Unternehmung, sondern die Qualität des Managements respektive der Mitarbeitenden. Die Realität zeigt, dass es äusserst erfolgreiche Kantonalbanken in jeder Rechtsform gibt. Richtig ist, dass die Staatsgarantie nicht mehr ein zwingendes Begriffsmerkmal einer Kantonalbank ist. Es liegt in der Kompetenz des Kantons, über die organisatorische Ausgestaltung, auch über die Staatsgarantie seiner Kantonalbank, zu entscheiden. Das «richtige» Modell gibt es also nicht.


Der VSKB hat 2007 den 100. Geburtstag mit zahlreichen Aktionen gefeiert. Welche Bilanz ziehen Sie?


Das 100-Jahr-Jubliäum bot eine hervorragende Plattform, die Stärken der Kantonalbanken zu betonen und gleichzeitig der Kundschaft und der ganzen Bevölkerung der Schweiz mit einem attraktiven Wettbewerb – und über 150 Events in der ganzen Schweiz – herzlich Dank zu sagen. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden waren ausnahmslos positiv.


Wo liegen in Zukunft die grössten Herausforderungen für die Kantonalbanken und den VSKB?


Wie die aktuelle Finanzmarktentwicklung sowie die vorliegende Jahresabschlussanalyse zeigt, verfügt die Kantonalbankengruppe über eine starke Positionierung. Gleichzeitig ist es wünschenswert, dass sich die Lage an den Börsen wieder stabilisiert und das Vertrauen in die Schweizer Banken nicht nachhaltig gestört wird. Wie andere Banken auch bleiben die Kantonalbanken gefordert, sich laufend an Veränderungen anzupassen und das jeweilige Geschäftsmodell nachhaltig weiterzuentwickeln.


Als Verband vertreten wir die Interessen der Kantonalbanken. Wir werden uns auch inskünftig als bedürfnisorientierter Dienstleister unserer Mitglieder verstehen. Deren Anliegen zu antizipieren resp. aufzunehmen, sie zu bündeln und wo möglich und sinnvoll diesbezügliche Synergiepotentiale zu realisieren – diese Funktionen werden auch im zweiten Jahrhundert unserer Geschäftstätigkeit im Zentrum stehen.


Herr Hess, besten Dank für das Interview.





Zum Verband:
Die Gruppe der Kantonalbanken umfasst 24 Institute mit Niederlassungen in 26 Kantonen sowie rund 20 Netzwerkpartner und Kooperationen. Sie ist damit gesamtschweizerisch präsent und nimmt mit über 18 000 Mitarbeitenden sowie rund 820 Geschäftsstellen eine führende Rolle ein. Ihr Marktanteil im Inlandgeschäft liegt bei rund 30 Prozent. 1907 haben sich die Kantonalbanken im Verband Schweizerischer Kantonalbanken VSKB zusammengeschlossen. Dieser übernimmt die Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Verbandsmitglieder, unterstützt Massnahmen zur Stärkung der Stellung der Kantonalbanken in der Schweiz und fördert die Zusammenarbeit unter den einzelnen Mitgliedern.


Zur Person:
Hanspeter Hess wurde per 1.9.2006 zum neuen Direktor des VSKB gewählt. Der 44-jährige Wirtschaftswissenschaftler (lic. rer. pol.) ist seit über zehn Jahren beim VSKB tätig. Davor leitete er während mehrerer Jahre die Wirtschafts- und Innovationsberatung Basel-Stadt. Die Freizeit verbringt er mit seiner Familie. Er reist gerne und bezeichnet sich als politisch interessiert, ohne eine politische Funktion innezuhaben.

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