Swissiar-Prozess: Anwalt von Fouse fordert Freispruch

Eine hilflose Staatsanwaltschaft habe eine mangelhafte Anklage produziert, die keine Beweise liefere. Die Anklage liste eine Vielzahl von Behauptungen auf, sagte Heeb am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Bülach: «Es ist für Frau Fouse schlechterdings nicht klar, wogegen sie sich eigentlich zu verteidigen hat.»


Die Anklage wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, Misswirtschaft und Gläubigerbevorzugung sei nicht zuzulassen, sagte Heeb, der einen Freispruch für die Ex-Finanzchefin forderte. Die Kosten des Verfahrens seien durch den Staat zu bezahlen. Zudem müsse Fouse eine Entschädigung aus der Gerichtskasse bekommen.


Vorwurf der Misswirtschaft
Die Staatsanwaltschaft wirft Fouse und ihrem Chef Mario Corti vor, im Wissen um die Zahlungunfähigkeit des Konzerns den Gang zum Konkursrichter zu spät gemacht zu haben. Dadurch hätten sie sich der ungetreuen Geschäftsbsorgung schuldig gemacht. Zudem hätten die Unterlassungen die Zahlungsunfähigkeit der SAirGroup verschlimmert, was Misswirtschaft sei. Corti und Fouse sollen überdies nach Ansicht der Staatsanwaltschaft einzelne Gläubiger kurz vor dem Zusammenbruch des Konzerns bevorzugt haben.


Für die ehemalige Finanzchefin forderte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten und eine Geldstrafe von 720’000 CHF bedingt auf drei Jahre sowie eine Busse von 10’000 CHF.


«Eher in der Rolle der Kassandra»
Der Wechsel vom sicheren Nahrungmittelkonzern Nestlé zur SAirGroup sei eine berufliche Herausforderung und Bewährungsprobe für Fouse gewesen, sagte Heeb: «Ein Scheitern konnte ihrer berufliche Karriere nur schaden; sie hatte davon weder direkten noch indirekten Vorteil zu erwarten.» Alles Handeln von Fouse habe darauf gezielt, Schaden von der SAirGroup abzuwenden. «Sie spielte in der kurzen Zeit ihrer Tätigkeit eher die Rolle der Kassandra, als dass sie irgend etwas schöngefärbt hätte», sagte Heeb. Natürlich sei man im Nachhinein immer schlauer.


«Ist es strafbar, sich um einige Tage zu irren?»
Im Strudel der Ereignisse nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 habe die ganze Konzernspitze und Fouse versucht, die richtigen Entscheide zu treffen. Das Management habe sich in Bezug auf die Hilfe von aussen durch Wirtschaft, Banken oder den Staat, objektiv getäuscht, gestand Heeb ein. «Aber ein Irrtum über zukünftige Entwicklungen ist für sich genommen nicht strafbar», sagte Heeb: «Ist es sträflich unvorsichtig, die Swissair nicht der Nachlassstundung und damit nach aller Fachleute Prognose der Liquidation ausliefern zu wollen, weil man überzeugt ist, dass diese Liquidation von der Schweiz nicht gewollt ist?» Die Schweiz habe geholfen – aber einige Tage zu spät. «Ist es strafbar, sich um einige Tage zu irren?»


KPMG so wichtig für SAirGroup wie Benzin
Auch die Zahlungen von Fouse an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG kurz vor dem Untergang des Flugkonzerns verteidigte Heeb. Ohne Bezahlung der offenen Rechnungen hätte KPMG ihre Arbeit eingestellt, was katastrophal gewesen wäre. Die Leistungen der KPMG für die SAirGroup seien ausserordentlich wichtig gewesen. «So wichtig wie die Lieferung des Treibstoffs für die Swissair», sagte er.


Keine Arbeit aus reiner Sympathie
Für die Massnahmen zur Rettung der Swissair, wie etwa die Reorganisation oder den Verkauf von Tochtergesellschaften, habe die SAirGroup Ressourcen benötigt, über die sie intern nicht verfügt habe. Die internen Möglichkeiten der Finanzabteilung der SAirGroup hätten personell und bezüglich des Know-how schon vor dem 11. September 2001 nicht genügt, um die anstehenden Aufgaben zu erfüllen. Ohne KPMG wäre die SAirGroup auf jeden Fall untergegangen, sagte Heeb: «Selbstverständlich konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die KPMG ohne Honorar, aus reiner Sympathie für die schweizerische Luftfahrt weiterarbeiten würde.»


Zwar erreichte im drittlängsten Plädoyer des bisherigen Prozessverlaufs der Verschachtelung der Sätze nicht mehr die Kleist’schen Dimensionen des Verteidigers von Lukas Mühlemann. Aber Heebs Argumentationsmuster war so fein gesponnen, dass er zeitweise mit brüchig werdender Stimme zu kaschieren versuchte, dass selbst er den Faden verloren hatte. (awp/mc/pg)

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