Thomas Limberger, CEO Von Roll Gruppe

von Radovan Milanovic


Trotz des schwierigen Umfeldes stieg der Nettoumsatz der Von Roll Gruppe in 2008 um 13 % auf 710 Mio. CHF und der Bestellungseingang um 1 % auf 688 Mio. CHF. In 2008 verzeichnete der Von Roll-Konzern einen Anstieg des Betriebsergebnisses um 20 % auf 55 Mio. CHF, bei einem 5 % höheren Vorsteuergewinn von 41 Mio. CHF. Der Reingewinn fiel wegen der erstmals seit Jahren wieder angefallenen Ertragsteuern um 28 % oder rund 11 Mio. CHF auf 29,91 Mio. CHF. Trotz des tieferen Reingewinns schlagen Sie der Generalversammlung eine Verdoppelung der Dividende von 0,10 CHF auf 0,20 CHF vor. Was ist der Grund für diese Massnahme?

Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und unsere Ziele für 2008 voll erreicht. Wir sind für die Zukunft sehr gut aufgestellt. Schliesslich sind wir mit unseren Produkten, Systemen und Services rund um das Thema Isolation Weltmarktführer und auch im Segment Von Roll Elco Transformers sind wir äusserst gut positioniert. Die Verdopplung der Dividende ist daher eine klare Nachricht an unsere Aktionäre. Wir sind ihnen gegenüber zum Erfolg verpflichtet und es ist daher richtig und wichtig, eine Dividende in der vorgeschlagenen Höhe zu zahlen.


Anfang August 2008 haben Sie einen Umsatz für 2008 von 690 bis 740 Mio. CHF, bei einer EBIT-Marge von 8 % bis 10 % für das Gesamtjahr erwartet und konnten diese Vorgaben auch erreichen. Von welchen Grössenordnungen gehen Sie für 2009 aus? Revidieren Sie Ihre mittelfristigen Ziele?


Von Roll hat bisher einen ordentlichen Start in das laufende Geschäftsjahr hingelegt. Aber: Auch wenn wir in einem positiv dynamischen Markt arbeiten und wir vom Transformatorenbau und dem dazugehörigen Reparaturgeschäft einen zusätzlichen Umsatzschub erwarten, erschwert die aktuelle Weltwirtschaftskrise eine Prognose für das Gesamtjahr 2009. Es wäre deshalb unseriös, heute einen konkreten Ausblick auf unsere Geschäftsentwicklung zu geben. Wir bleiben aber dabei und bestätigen unseren Wachstumspfad bis 2012. Konkret heisst das, dass wir im traditionellen Geschäft den Umsatz auf über 1 Mrd. CHF steigern möchten und eine EBIT-Marge von 8 bis10 % anpeilen.


«Falls die Auftragseingänge weiter ansteigen, können wir unsere Kapazitäten in den USA und Asien jederzeit ausbauen. Wir sind zuversichtlich, dass wir von den Hilfsprogrammen zur Ankurbelung der US-Wirtschaft profitieren werden.»



Am 7. Januar 2009 warnte ABB vor den Gefahren schrumpfender Margen, eines sich verschärfenden Wettbewerbes und vor niedrigeren Kapazitätsauslastungen, während die rückläufigen Rohstoffpreise weniger Spielraum bei der Preisgestaltung bieten. Alle diese Fakten würden die Ertragslage bedrohen. Sehen Sie ähnliche Anzeichen? Tritt Von Roll mit seinem Segment Von Roll Elco Transformers als Konkurrenz von ABB auf?

Im Gegenteil ? ABB und andere grosse Unternehmen im Energiesektor sind wichtige Kunden für uns. Wir wollen zu ihnen keine Konkurrenz aufbauen. Mit unseren Transformatoren wollen wir als Nischen-Anbieter eine Ergänzung zu dem Produktportfolio unserer Kunden sein und wollen gemeinsam mit Ihnen erfolgreich zu sein. Margen-Senkungen sind für uns keine Option, um neue Marktanteile zu gewinnen. Fallende oder auch steigende Rohstoffpreise werden wir bei unserer Preisgestaltung jedoch berücksichtigen. Sollten beispielsweise unsere Kosten steigen, werden wir die Mehrkosten vollumfänglich auf die Produkte überwälzen.


Im Übrigen: Falls die Auftragseingänge weiter ansteigen, können wir unsere Kapazitäten in den USA und Asien jederzeit ausbauen. Wir sind zuversichtlich, dass wir von den Hilfsprogrammen zur Ankurbelung der US-Wirtschaft profitieren werden.


Ab dem 4. Quartal 2008 konsolidieren Sie Ihre 80%ige Beteiligung Enerco Enterprises, ein führender Hersteller von Transformatoren und Lieferant von Lösungen zur Energieübertragung und ?verteilung aus Israel, die Sie für 80 Mio. USD erworben haben. Bis Ende 2009 hält der Minderheitsaktionär Electra Ltd. immer noch eine 20% Beteiligung. Was ist die Strategie dieser zweistufigen Lösung? Von wem ging diese aus?


Der Markt für Energieübertragung und ?verteilung ist einer der am schnellsten wachsenden der Zukunft. An ihm wollen wir unbedingt teilhaben. Wir erwarten, dass unser aus Enerco hervorgegangenes Segment Von Roll Elco Transformers in den kommenden Jahren einen jährlichen Umsatz von 80 bis 100 Mio. CHF erwirtschaften wird. Um aber die politischen und wirtschaftlichen Risiken genau abzuschätzen und die Geschäftsbeziehungen mit den Kunden weiter zu festigen, haben wir uns zunächst ? im Einvernehmen mit den Verkäufern ? dazu entschlossen, 80 % von Enerco zu übernehmen. Gelegenheiten mit einer so klaren, strategischen Logik gibt es nicht allzu oft. Trotzdem müssen sie gut überlegt werden. Das sind wir unseren Aktionären schuldig. Von Roll Elco Transformers ist technologisch weltweit führend. Wichtigster Umsatzträger sind die Hochleistungstransformatoren. Zum vereinbarten Zeitpunkt, planmässig gegen Ende 2009, werden wir die restlichen 20 % übernehmen.


Von Roll Elco Transformers arbeitet übrigens heute schon an der Kapazitätsgrenze. Nach der in Umsetzung befindlichen Optimierung von Prozessen und Strukturen gehen wir jedoch davon aus, zusätzlich mehr als 20 % Effizienz aus dem Bestehenden herauszuholen. Obwohl wir die Anteile erst im September erworben haben, trug das Segment 2008 bereits rund 3,2 % zum Konzernumsatz bei.


Der Konjunktureinbruch hat auch Asien erreicht. Noch im ersten Semester gaben Sie die Erfolge Ihrer Akquisition von Shenzhen Mica mit einem währungsbedingten Wachstum von 53% und die steigende Anzahl von Aufträgen in Asien an. Wie hat sich Shenzhen Mica in der Zwischenzeit entwickelt?


Unsere Produktionsstätten in Shenzhen entwickeln sich sehr gut – wir haben die Gesellschaft erfolgreich konsolidiert. Dank der Produktionsstätten in Shenzhen sind wir auf dem Weg, Weltmarktführer im Bereich feuerresistente Glimmerkabelbänder und thermische Isolationsbögen zu werden. Wir sind hervorragend im asiatischen Wachstumsmarkt positioniert. Wir gehen in Asien von einem starken Wachstum, allerdings von einer relativ tiefen Basis aus. Das Geschäft ist neu aufgebaut worden und wir konnten bereits die Kapazitäten erhöhen. Beim Asiengeschäft profitieren wir von den deutlich geringeren Produktionskosten von Produkten, welche in die USA und nach Europa geliefert werden.


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Ihre elektrischen Isolierungssysteme beeinflussen die Lebensdauer und den Wirkungsgrad von Generatoren bei Kraftwerken. Im Zuge der Energieverteuerung sollte davon ausgegangen werden, dass die Wasser-Elektrizitätswerke Investitionen steigern, um einen höheren Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung zu erhalten. Sehen Sie ein überdurchschnittliches Ansteigen der Investitionen bei Wasserkraftwerken, insbesondere in der Schweiz und in Österreich?


Bisher konnten wir solche Tendenzen nicht erkennen. Mit unseren elektrischen Isoliersystemen bieten wir jedoch grundsätzlich allen unseren Kunden weltweit, nicht nur in der Schweiz und Österreich, die beste und effizienteste Lösung, um die Lebensdauer der Anlagen sowie ihre Effizienz und daraus folgend ihre Profitabilität zu erhöhen.


Welches sind Ihre grössten Konkurrenten? Was machen Sie besser als diese?


Es ist zum einen die Isovolta Group aus Österreich, ein Produzent von Elektroisolationsmaterialien, technischen Laminaten und Verbundwerkstoffen sowie Elantas, welche Isolierstoffe für die Elektroindustrie produziert. Dieses deutsche Unternehmen gehört zur Altana Gruppe. Die beiden Unternehmen sind jedoch nur bedingt mit der Von Roll Gruppe vergleichbar, da sie im Gegensatz zu uns eine tiefere Fertigungsstufe aufweisen. Innerhalb ihres traditionellen Tätigkeitsgebiets «Isolation» deckt Von Roll die gesamte Wertschöpfungskette ab, von der Rohstoffexploration über Zwischenprodukte bis zu Systemen und Dienstleistungen. Das umfassende Know-how von Herstellungs- und Anwendungsprozessen ist dabei unser zentraler Wettbewerbsvorteil.


Im Segment Von Roll Elco Transformers ist die Situation etwas anders. Auf dem Markt sind eine Reihe von grossen namhaften Unternehmen wie ABB, Siemens usw. aktiv. Diese wollen wir mit Nischenprodukten bedienen, um sie in ihrem Geschäft zu unterstützen. Das heisst, wir wollen hier auch langfristig ein kleinerer, spezialisierter Marktteilnehmer bleiben. Da der Markt aber sehr gross ist und künftig stark wachsen wird, verspricht diese Strategie Erfolg.


«Wir sind offen für gute Investitions-Gelegenheiten und haben genügend Cash, um zuzugreifen. Als Folge der nachgebenden Märkte sind wir jedoch weder in Zugzwang noch in Eile und warten auf eine optimale Gelegenheit für eine Akquisition.»


Ende des dritten Quartals 2008 meldeten Sie eine 74%ige Eigenkapitalunterlegung, welche Ende 2008 auf 69 % zurückgegangen ist. Ein immer noch komfortabler Wert. Durch eigene Mittel, eingeflossene Mittel aus der Kapitalerhöhung und Möglichkeiten zur Fremdfinanzierung dürften Ihnen rund 500 Mio. CHF zur Verfügung stehen. Alles deutet darauf hin, dass grössere Akquisitionen anstehen.


Wir sind offen für gute Investitions-Gelegenheiten und haben genügend Cash, um zuzugreifen. Als Folge der nachgebenden Märkte sind wir jedoch weder in Zugzwang noch in Eile und warten auf eine optimale Gelegenheit für eine Akquisition.


Können Sie unseren Lesern die Tätigkeit der Von Roll Solar AG erläutern?


Wir bauen Von Roll Solar als neues Geschäftsfeld auf. Dabei prüfen wir auch, ob Von Roll die innovativen Technologien zur Gewinnung von Solarenergie vermarkten wird. Der zunehmende Trend zu erneuerbaren Energien eröffnet unserem Unternehmen zudem hochinteressante Optionen, die uns die Weiterentwicklung unseres Geschäftes in diesem schnell wachsenden Zukunftsmarkt ermöglichen sollen. Wir wollen sicherstellen, dass uns an dieser Stelle keine Chance entgeht. Haben Sie aber bitte Verständnis, dass wir momentan nicht mehr über das Solargeschäft sagen. Wir möchten das erst dann tun, wenn wir Ihnen tatsächlich ein fertiges Produkt vorstellen können.


Für grosse Überraschung sorgte die Meldung, dass Von Roll im Sommer 2008 den Einstieg ins Bankgeschäft plant, sich aber auf die Verwaltung des Vermögens Dritter beschränken werde. Somit würde Von Roll ein drittes Standbein schaffen. Wieso planen Sie nicht, die Bank in den Konzern einzubinden und Aktivitäten wie Finanzierungen und Industriekreditgeschäfte für den Konzern zu tätigen?


Wir haben immer wieder klar kommuniziert, dass die Bank von Roll AG nichts mit den Industrieaktivitäten der Von Roll Gruppe zu tun hat. Die Bank von Roll ist eine in jeder Hinsicht unabhängige Privatbank und kein Vehikel, mit dem sich Von Roll refinanzieren wird. Wir halten nur gerade 3 % an der Bank und betrachten unser Engagement als reines Investment.


Die letzten Informationen sprechen davon, dass die Aktionärsgruppe um den deutschen Investor von Finck seinen Anteil von 43,75 % Ende 2007 auf 66,98 % per Ende 2008 ausgebaut hat. Berücksichtigt man die 3,39 % Treasury Aktien von Von Roll, sind theoretisch ? real jedoch weit weniger ? nur rund 29,63% der Aktien in Zirkulation. Sind die Tage der kotierten Von Roll Aktien gezählt?


Wir sind davon überzeugt, dass sich an der Kotierung der Gesellschaft nichts ändern wird. Die Aktionärsgruppe von Finck hat dem Management das volle Vertrauen ausgesprochen und ist von der Strategie überzeugt.



Herr Limberger, besten Dank für das Gespräch.





Der Interviewpartner:
Nach dem Abitur studierte Thomas Limberger Wirtschaftswissenschaften in Frankreich und den USA. 1994 schloss er sein Studium mit der Fachrichtung «Finance and Strategic Management» mit einem MBA ab und begann seinen beruflichen Werdegang bei der National Medical Care, welche zur Fresenius Medical Care AG formiert wurde. Im Januar 2001 wurde er Vorstandsmitglied der General Electric Deutschland. Er übernahm dort zunächst den Geschäftsbereich Industrial. 2002 wurde er zum CEO der General Electric Deutschland, Österreich, Schweiz berufen. In dieser Funktion war er geschäftsübergreifend für alle Aktivitäten der General Electric in Zentraleuropa zuständig (Industriegüter, Finanzdienstleistung). Zu seinen Erfolgen gehörte die Verdopplung des regionalen Umsatzes auf ca. 6,5 Milliarden Dollar, die Integration der Allbank (Aufsichtsratsvorsitzender bis 2005) und der Bau eines globalen GE Forschungszentrums auf dem Campus der TU München.
Im Mai 2004 wählte die Generalversammlung der OC Oerlikon AG (damals Unaxis AG) Limberger in den Verwaltungsrat. Ein Jahr später wurde Limberger, nach einem Grossaktionärswechsel, zum Vorstandsvorsitzenden und Vizepräsident des Verwaltungsrats gewählt. Er führte den Konzern aus der Verlustzone (minus 340 Millionen Schweizer Franken 2004) und erreichte schon 2006 einen Rekordgewinn von über 320 Millionen Schweizer Franken. Im Mai 2007, eine Woche nach seinem Abgang bei der OC Oerlikon AG, wurde bekannt, dass Limberger zu der Von Roll Holding AG wechselt. Der Hauptaktionär August von Finck junior, den Limberger schon seit acht Jahren kannte, hatte Limberger für diese Aufgabe gewinnen können.


Thomas Limberger ist Verwaltungsratsmitglied bei SGS, Mövenpick Hotels & Resorts sowie Verwaltungsratspräsident der Von Roll Holding AG.


Das Unternehmen:
Als eines der traditionsreichsten Industrieunternehmen der Schweiz fokussiert sich die Von Roll Holding AG auf Erzeugnisse zur Energieerzeugung, -übertragung und – verteilung. Von Roll ist Weltmarktführer für Isolationsprodukte, -systeme und -services. Von Roll ist an 32 Standorten in 19 Ländern mit rund 3 400 Mitarbeitern vertreten.


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