Ungenügende Nachfolgeplanung in Schweizer KMU: Macario Juan, CEO Dun & Bradstreet (Schweiz) AG, im Interview

von Patrick Gunti


Moneycab: Herr Juan, in den nächsten drei bis fünf Jahren stellt sich in über 52’000 Schweizer KMU die Frage der Nachfolgeregelung. Laut Ihrer Studie werden in dieser Zeit rund 10’000 Unternehmen ihre Tore schliessen. Was sind die Gründe dafür?

Macario Juan: Viele der betroffenen KMU schieben das Thema Nachfolgeregelung zu lange hinaus. Eine zu späte oder ungenügende Nachfolgeplanung erhöht das Risiko einer gescheiterten Nachfolge. Dass es «höchste Eisenbahn» ist verdeutlicht das Ergebnis unserer Studie, wonach bei 20`402 Unternehmen der Firmenchef und -Inhaber 2007 das 65igste Altersjahr erreicht oder überschritten hat. Diesen Unternehmen sitzt die Zeit im Nacken und das Risiko ist besonders gross, dass viele von ihnen keinen Nachfolger mehr finden werden.


Mit welchen Folgen für die Wirtschaft?

Nicht nur die hohe Zahl von Unternehmen, denen die Betriebsschliessung mangels Nachfolger droht und der damit verbundene Verlust von Arbeitsplätzen sind von volkswirtschaftlicher Bedeutung. Alleine schon die Tatsache, dass bei vielen KMU die Nachfolge noch ungeklärt ist, hat negative Folgen auf die Volkswirtschaft; bleibt der Firmenchef und -Inhaber zu lange im Unternehmen, kann dies die Innovationsfähigkeit lähmen. Hinzu kommt, dass laufende Investitionen bei unklarer Nachfolge meist aufgeschoben werden, was die Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft gefährdet und eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge zusätzlich erschwert. 


Was sind die Folgen für die Konsumenten? Werden gewissen Waren und Dienstleistungen schwieriger erhältlich sein?

In einzelnen Branchen wie beispielsweise im Druckgewerbe oder im Handwerk dürfte die anstehende Nachfolgeproblematik den Strukturwandel vorantreiben und beschleunigen. Dies lässt sich am Beispiel des Druckgewerbes veranschaulichen: Die Multimedialisierung und der immer härtere Konkurrenz- und Preiskampf dürften dazu führen, dass die klassischen Druckereien aussterben. Solche Betriebe dürften in der Regel keinen Nachfolger finden und nicht mehr fortgeführt werden.


Hat sich die Situation vor 10 Jahren grundlegend anders präsentiert oder handelt es sich um ein dauerhaftes Problem?

Die bevorstehende Pensionierungswelle hat ihren Ursprung im Firmengründungsboom in den 70er und Anfang der 80er Jahre; überdurchschnittlich viele Personen wagten damals den Schritt in die Selbständigkeit. Sie stehen heute altershalber vor der Pensionierung. Da die «heutige» Generation eine andere Einstellung zum Berufs- und Arbeitsleben hat, die insbesondere einem stärkeren und schnelleren Wandel unterliegt, dürfte dieses Phänomen künftig nicht mehr in dieser Grösse auftreten. Denn wenn heute jemand ein Unternehmen gründet, denkt er schon bei der Gründung an den möglichen Ausstieg. Dies unterscheidet die Generation der Jungen von heute gegenüber den vorhergehenden Generationen.


«In einzelnen Branchen wie beispielsweise im Druckgewerbe oder im Handwerk dürfte die anstehende Nachfolgeproblematik den Strukturwandel vorantreiben und beschleunigen.» (Macario Juan, CEO Dun & Bradstreet (Schweiz) AG)


Von welchen Faktoren hängt es ab, ob ein Unternehmen fortgeführt oder geschlossen wird?

Der finanzielle Zustand, die Zukunftsperspektiven und der zeitliche Horizont der Nachfolgeregelung sind die drei wesentlichen Faktoren. Hat das Unternehmen keine finanziell solide Basis oder sind die Zukunftsperspektiven mit Fragezeichen behaftet, so macht die Suche nach einem Nachfolger keinen Sinn, da der Fortbestand des Unternehmens nicht gesichert ist. Doch auch der zeitliche Faktor der Nachfolgeplanung und -Regelung ist von entscheidender Bedeutung. Wird die Suche nach einem Nachfolger zu lange hinausgeschoben, der Unternehmensverkauf bzw. die -Übergabe nicht geplant und vorbereitet, so erhöht sich das Risiko eines Scheiterns erheblich.


Welche Branchen sind hauptsächlich davon betroffen?

Bei den 21 von uns untersuchten Branchen gibt es grosse Unterschiede. In den Branchen Maschinenbau und Druck- und Verlagsgewerbe sind in den nächsten Jahren fast 15% aller KMU von der Nachfolgeregelung betroffen, in der Informatikbranche dagegen nur etwas mehr als 6%.


Gibt es regionale Unterschiede?

Die Zahl der betroffenen KMU liegt in allen Regionen zwischen 11% und 14%. Nur beim finanziellen Zustand, den wir anhand unseres D&B Scores beurteilt haben, stellten wir regionale Unterschiede fest. Die in der Deutschschweiz ansässigen KMU haben einen höheren Score, also einen besseren finanziellen Zustand als die KMU in der welschen und italienischen Schweiz.


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Was kann ein Unternehmer tun, damit die Nachfolgeregelung nicht zum Problem wird?

Der betroffene Unternehmer muss das Thema Nachfolge aktiv angehen und sich einige grundsätzliche Fragen stellen: Wird die Nachfolge familienintern oder -extern geregelt? Wie viel Wert ist das Unternehmen? Wie ist mein privater Lebensunterhalt sichergestellt? Wie sehen die steuerlichen Folgen aus? Um all dies zu klären empfiehlt es sich, dass sich der Unternehmer an einen spezialisierten Berater wendet. Anhand einer Checkliste, die der Berater für ihn erstellt, kann er sich Gedanken über eine Nachfolge machen und den Ist-Zustand festhalten und den Soll-Zustand festlegen. Mit genügend Zeit und der fachlichen Begleitung steht so einer geglückten Nachfolge meist nichts mehr im Weg.


Wie sinnvoll sind generationenübergreifende Lösungen wie die Übergabe des Geschäfts an den Sohn oder die Tochter?

Grundsätzlich sollte die Unternehmensnachfolge nach den Fähigkeiten, der Bereitschaft und dem Willen erfolgen und nicht nach dem Verwandtschaftsprinzip. Doch gerade bei sehr kleinen KMUs ist die familieninterne Nachfolge oder die Übernahme durch einen Mitarbeiter meist der einzige Weg, um das Fortbestehen des Unternehmens zu sichern. Denn in der Regel gilt; je kleiner das Unternehmen, desto kleiner der Kreis der möglichen Nachfolger bzw. Käufer. Grössere KMU haben es einfacher, einen Nachfolger zu finden. Der Kreis der potenziellen Nachfolger ist bei ihnen grösser.


Nachfolgeregelungen von KMU sind häufig mit vielen Emotionen verbunden – sind sie deshalb oftmals auch ein Tabu?

Ja, gerade deshalb. Für den traditionellen Patron stellt das Unternehmen meist sein Lebenswerk dar. Viele vertreten die Einstellung: «Solange ich gesund bin, mache ich noch weiter!». Die Angst, dass das Lebenswerk in falsche Hände übergehen könnte, verhindert in vielen Fällen die aktive Herangehensweise an die Nachfolgeplanung und -Regelung.


Was können die Öffentlichkeit und die Politik gegen das Problem der Nachfolgeregelung unternehmen?

Die Politik und die Gesetzeslage erschweren in vielen Fällen die Unternehmensnachfolge, gerade weil der bisherige Inhaber bei den Steuern in der Regel doppelt zur Kasse gebeten wird. Zudem sind die Öffentlichkeit, die Verbände aber auch die Unternehmen für das Thema zu wenig sensibilisiert. Eine öffentliche Diskussion und das Bereitstellen von Anlauf- und Beratungsstellen würden vielen Unternehmen helfen, das Thema Nachfolge aktiv und kompetent anzugehen.


Herr Juan, besten Dank für das Interview.





Zur Studie:
D&B hat erstmals in der Schweiz eine empirische Untersuchung zum Thema KMU-Nachfolge durchgeführt und dabei eruiert, wie viele kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz in den kommenden Jahren vor der Nachfolgeregelung stehen. 432`298 per 15. Oktober 2007 im Handelsregister eingetragene Mikro-, Klein- und Mittelunternehmen mit 1 bis 249 Beschäftigten waren Gegenstand der Untersuchung. Für die Beurteilung, ob ein Unternehmen von der Nachfolgeproblematik betroffen ist, waren das Alter des Inhabers, des Geschäftsführers und des Verwaltungsratspräsidenten massgebend. Bei mehreren Inhabern wurde nur der Inhaber (natürliche Person) berücksichtigt, der im Minimum 50% der Gesellschafts- bzw. Aktienanteile hält. Ein weiteres Kriterium war die Grösse des Verwaltungsrats; umfasste dieser mehr als vier Mitglieder, wurde angenommen, dass die Nachfolge geklärt ist.

Zur Person:
Macario Juan (1965) absolvierte eine Lehre als Kaufmann und schloss 1988 das Höhere Wirtschaftsdiplom ab. Fünf Jahre war er bei der Genossenschaft Migros Zürich tätig, zuletzt in der Funktion als Analyst im Bereich Market Research. 1987 startete er seine Karriere bei Dun & Bradstreet (Schweiz) AG als Business Analyst. Im Laufe der Jahre übernahm er die Verantwortung für die Märkte Österreich und Schweiz. Seit 2004 ist ihm die Gesamtleitung der Unternehmung in der Schweiz übertragen worden. Macario Juan ist seit 1999 Vize-Präsident des Verbandes von Wirtschaftsauskunfteien in der Schweiz. Zudem ist er im Verwaltungsrat der Dun & Bradstreet (Schweiz) AG und der Hoppenstedt (Schweiz) AG.

Zum Unternehmen
D&B ist die in der Schweiz und weltweit führende Informationsquelle für Wirtschaftsinformationen, Bonitätsauskünfte und Firmenbewertungen. Unternehmen aus allen Branchen nutzen die Daten und Lösungen von D&B zur Bonitätsprüfung, bei der Kundengewinnung und im strategischen Einkauf. Basis dafür ist die D&B Datenbank mit Informationen über 500`000 Schweizer Unternehmen und mehr als 118 Millionen Unternehmen weltweit. In die Bonitätsbewertung der Firmen fließt auch deren Zahlungsverhalten ein. Dazu wertet D&B alleine in der Schweiz jährlich rund 2,5 Millionen Rechnungen aus. Die Zuordnung aller Informationen zu den Unternehmen ist durch die von D&B eingeführte D-U-N-S® Nummer eindeutig. Die D-U-N-S® Nummer wird unter anderem von der Europäischen Kommission und der ISO als Standard eingesetzt und empfohlen und von namhaften Grossunternehmen und Banken in der Schweiz bei der Identifikation von Kunden und Lieferanten im Risikomanagement genutzt.

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