Schweizer Wirtschaft 2014 weiterhin im Super-Zyklus
Zürich – Das Schweizer Wirtschaftswachstum wird sich 2014 auf 2,0% beschleunigen. Gemäss Prognosen der Ökonomen der Credit Suisse profitiert einerseits die Exportindustrie von der Erholung der Weltwirtschaft. Andererseits befindet sich die Binnenwirtschaft weiterhin in einem Super-Zyklus, der durch tiefe Zinsen und hohe Zuwanderungsraten genährt wird. Der solide Wachstumsausweis und die guten Aussichten für die Schweizer Wirtschaft werfen auch die Frage nach einem «Exit» der Schweizerischen Nationalbank (SNB) von der Wechselkursuntergrenze auf. Aus heutiger Sicht gehen die Ökonomen der Credit Suisse davon aus, dass der EUR/CHF-Mindestkurs von 1.20 wohl bis mindestens Ende 2014 bestehen bleibt.
Die Schweizer Wirtschaft scheint momentan beinahe immun gegen Kriseneinflüsse aus dem Ausland zu sein. Grund dafür ist der Super-Zyklus, in dem sich die Binnenwirtschaft befindet. Gemäss Analyse der Ökonomen der Credit Suisse basiert rund ein Viertel des Konsumwachstums seit 2008 auf der Zuwanderung. Gleichzeitig brachten die tiefen Zinsen über diese Zeit den Hauseigentümern Entlastungen von rund 18’000 Franken. Die Wachstumseffekte werden jeweils durch Rückkoppelungseffekte und Wechselwirkungen verstärkt: So wirkt sich das Konsumwachstum positiv auf das Stellenwachstum aus, welches wiederum einen positiven Einfluss auf die Zuwanderung hat. Auch der zins- und zuwanderungsgetriebene Immobilienboom schafft neue Stellen, welche wiederum Zuwanderer anziehen, und er hat möglicherweise positive Vermögenseffekte – womit sich der Kreis abermals schliesst. Ein Treiber und Nebeneffekt des Super-Zyklus ist gleichzeitig die steigende durchschnittliche Kreditverschuldung der Haushalte.
BIP-Wachstum 2014 etwas breiter abgestützt
Die Ökonomen der Credit Suisse gehen davon aus, dass der Super-Zyklus auch 2014 Bestand haben wird. Die Anzahl Zuwanderer dürfte ungebrochen hoch bleiben, wobei eine höhere Dynamik aus Südeuropa die Wachstumsabschwächung aus dem Norden kompensiert. Das Zinsniveau dürfte zwar graduell weiter steigen, Neuhypotheken bleiben aber weiterhin günstiger als viele der auslaufenden Althypotheken, weshalb der Zinseffekt weiterhin positiv wirken sollte.
Sättigungseffekte
Dem Konsumwachstum gewisse Grenzen setzen demgegenüber wahrscheinliche Sättigungseffekte. So wurden beispielsweise Autokäufe angesichts von «Eurorabatt-Aktionen» vorgezogen, weshalb diese Nachfrage nun fehlt. Auch dürfte nur ein geringes Reallohnplus zu verzeichnen sein. Zwar sollten die Löhne nominal auch im kommenden Jahr um 0,8% steigen, da aber die Teuerung dann wieder positiv ausfallen dürfte (Prognose der Credit Suisse für 2014: 0,6% nach -0,1% für 2013), bleibt unter dem Strich etwas weniger Kaufkraft übrig. Insgesamt wird sich die Binnenwirtschaftsdynamik leicht verringern.
Weil sich gleichzeitig die Exportwirtschaft aber erholen sollte – die Rezession in der Eurozone ist zu Ende, die US-Wirtschaft gewinnt an Fahrt, und die Wechselkurssituation verliert an Brisanz – und die Investitionsneigung steigt, dürfte sich das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr jedoch insgesamt beschleunigen. Die Ökonomen der Credit Suisse prognostizieren ein Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,0% im kommenden Jahr, nach einem prognostizierten Wachstum von 1,8% in diesem Jahr.
Naht zwei Jahre nach Einführung die Aufhebung der SNB-Wechselkursgrenze?
Die Untergrenze des EUR/CHF-Wechselkurses bei 1.20 scheint in Anbetracht des positiven Wachstumsausblicks aus ökonomischer Sicht weniger nötig und eine Diskussion von Exit-Szenarien deshalb sinnvoll. Allerdings ist die Inflationsgefahr angesichts der tiefen Kapazitätsauslastung und des limitierten Lohnspielraums gering und der Schweizerfranken weiterhin leicht überbewertet. Zudem würde ein erneuter Wechselkursschock für die Schweizer Wirtschaft vorerst immer noch ein Risiko darstellen. Hinsichtlich der Überhitzungsrisiken auf dem Immobilienmarkt dürfte die SNB weiterhin auf die Wirkung sogenannter mikro- und makroprudentieller Massnahmen wie dem antizyklischen Eigenkapitalpuffer setzen.
Längerfristig dürfte die SNB nach Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse zu ihrer Zinspolitik zurückkehren wollen. Zwei Szenarien sind denkbar: Im positiven Szenario wertet sich der Franken ab, und die SNB kann die Untergrenze ohne Probleme aufheben. Im weniger guten Fall steigt die Inflationsgefahr, und der Aufwertungsdruck nimmt gleichzeitig zu. Im Dilemma zwischen Inflationsbekämpfung (restriktive Geldpolitik) und Verteidigung der Wechselkursuntergrenze (expansive Geldpolitik) käme die SNB unter Zugzwang. Sie müsste wohl eine kontrollierte Aufwertung des Frankens tolerieren, zum Beispiel durch die Senkung des EUR/CHF-Mindestkurses unter die Marke von 1.20. Damit die Märkte die Senkung der Untergrenze als glaubwürdig betrachten würden, müsste die Aufwertung aber substanziell sein oder mehrmals erfolgen. Eine vollständige Aufhebung der Untergrenze scheint in diesem Fall hingegen – wegen der wirtschaftlichen und politischen Nebenwirkungen – höchst unwahrscheinlich. Aus heutiger Sicht gehen die Ökonomen der Credit Suisse davon aus, dass der EUR/CHF-Mindestkurs von 1.20 wohl bis mindestens Ende 2014 bestehen bleibt.
Super-Zyklus geht einmal zu Ende
Der Leistungsausweis der Schweiz beeindruckt, und das Land wird international in gewissen Bereichen, so in der Finanzpolitik, als Musterschülerin gelobt. Auch wenn die Ökonomen der Credit Suisse für die nähere Zukunft nur geringe konjunkturelle oder stabilitätspolitische Hindernisse orten, bestehen aus ihrer Sicht bezüglich der langfristigen Entwicklung teilweise beträchtliche Risiken, insbesondere in der Finanzpolitik, aber auch hinsichtlich der Reformfähigkeit oder des Produktivitätswachstums. In ihrer neuen Publikation «Monitor Schweiz» machen die Ökonomen der Credit Suisse zehn Mythen zur Schweizer Wirtschaft aus. (Credit Suisse/mc/pg)