«Ich schreibe nicht Buchstaben – ich zeichne Sprache»

«Ich schreibe nicht Buchstaben – ich zeichne Sprache»

Ausschnitt Veranstaltungsplakat. (Bild. Gutenberg Museum)

Von Marianne Keller Tschirren, Kunsthistorikerin und Musikerin

Fribourg – Stets ist Mumprecht seinen eigenen Weg gegangen. Er schloss sich keiner Bewegung an, sondern blieb bewusst bis heute ein Einzelgän­ger. Die Ausstellung des 96jährigen Künstlers gibt einen Einblick in seine bis heute ungebrochene schöpferische Präsenz. Verschieden grossen Werken auf Leinwand aus der Zeit von 1989 bis 2014 werden Werkmaterialien aus seiner «Bibliothèque insolite» (un­gewöhnliche Bibliothek), wie Mumprecht sein Gedankenlaboratorium benennt, gegenübergestellt. Die Besuchenden erhalten Einblick in den langjährigen Arbeitsprozess des Wort-Alchemisten.

1998 erhielt Mumprecht als erste Einzelperson den Grossen Kultur­preis der Burgergemeinde Bern. Die Burgergemeinde würdigte damit das unverwechselbare zeichnerische und malerische Gesamtwerk des
Künstlers – ein Werk, das sich durch die gelungene Verbindung von Bild und Wort auszeichnet und in seiner Mehrsprachigkeit kulturelle Grenzen überschreitet.

Seit 2002 liegt ein Vorlass seiner Materialien in der Burgerbibliothek Bern zur Erschliessung und Archivierung. Der Vorlass umfasst zum aktuellen Zeitpunkt zahlreiche Skizzenbücher, 1200 A4 Blätter «Lettres sans adres­se», das Eulenuniversum, verschiedene Studien und Projekte. Der Bestand ist im Online-Archivkatalog der Burgerbibliothek www.burgerbib.ch abfragbar.

Das Gutenberg Museum Fribourg präsentiert ebenfalls 120 der «Lettres sans adresse» aus dem umfangrei­chen Korpus der Werkmaterialien als Leihgaben aus dem Bestand der Burgerbibliothek Bern. Die «Lettres sans adresse» sind ein stetig wachsender Kosmos ohne thematische und chronologische Ordnung.

Es ist für das Gutenberg Museum eine grosse Freude, seinen Besuchenden vom 11. Juni bis 21. September 2014 diesen einzigartigen Schweizer Künstler zu präsentieren. Sie sind eingeladen zu verweilen, sich von der Welt des Künstlers und seiner labyrinthischen Arbeitsweise anregen zu lassen und eigene Assoziationen zu den Gedanken-Essenzen zu finden.

Wortklang und Klangbild: Das Universum von Mumprecht
Mumprecht geht seit vielen Jahren eigenständig seinen Weg, ungeachtet der Entwicklungen und Trends der Kunstszene. Seine künstlerische Entwicklung verläuft von der Figuration über die Abstraktion zum Sprachbild. Die Liebe zum Wort begleitet den Künstler seit Jahren. Ende der sechziger Jahre brachte Mumprecht als einer der ersten Schweizer Künstler das Wort ins Bild. Die Sprache dient nicht mehr als Medium, um über Kunst zu sprechen – Sprache und Schrift werden in seinen Bildern selber zur Kunst.

Es geht Mumprecht um die Malerei der Schrift, respektive um das Zeichnen der Schrift oder des sprachlichen Zeichens. Er ist denn auch weniger ein Maler als, wie er selber sagt, ein Zeichner. Er versucht den Begriff auf­zuwerten, ihn auf den Urbegriff des Zeichens zurückzuführen. Diese Lust am Zeichnen lässt sich auf vielen Bildern finden: die Form der Buchstaben und der Duktus der sprachlichen Zeichen zeigen das Gespür für die Linie und veranschaulichen, wie wichtig ihm die Erscheinung dieser Zeichen ist. Neben der semantischen Be­deutung der Worte, mit der Mumprecht nicht zuletzt durch den Einsatz verschiedener Sprachen spielt und die uns als Betrachtenden einen grossen Assoziationsspielraum ermöglicht, fasziniert ihn aber auch der Klang der Sprache.

Bei einigen Werken findet man zudem neben Buchstaben auch Achtel-oder Sechzehntelnoten, Notenlinien, Notenschlüssel oder auch Termini aus der Musik. Diese Elemente wecken unweigerlich Assoziationen zur Musik, die ihre Wirkung erst beim Spielen oder Hören entfaltet. Die Kombination von Worten und musikali­schen Zeichen unterstreicht die Bedeutung des Klanges in Mumprechts Bildern zusätzlich.

Häufig begnügt er sich hingegen nicht mit den uns bekannten Noten oder Buchstaben des Alphabets. Er ver­wendet regelmässig Zeichen und Chiffren, die uns auf den ersten Blick vertraut scheinen, sich aber bei ge­nauerem Hinsehen als unbekannt entpuppen. Solche Linien und Gebilde sind in kein System integriert, das mit einem entsprechenden Bild verknüpft ist: wir kennen den Code nicht, um sie zu verstehen. Und genau hier liegt die Faszination in der Kunst des Zeichner-Malers: seine poetisch-klangvollen Bilder leben nicht zuletzt von derartigen Formen, die uns zum Nachdenken und oft auch zum Phantasieren anregen.

Kurzbiographie
Mumprecht wurde 1918 in Basel geboren und wuchs in der Stadt Bern auf. Nach jahrelangen Aufenthalten in Paris lebt und arbeitet er in Köniz-Bern und in Brione-Locarno.

Mumprecht ist ein kompromissloser Berufskünstler. Seine künstlerische Entwicklung verläuft von der Figurati­on über die Abstraktion zum Sprachbild. Sein Werk ist von einer grossen Kontinuität geprägt und überschreitet in seiner Mehrsprachigkeit kulturelle Grenzen.

Die Liebe zum Wort begleitet den Künstler seit Jahren. Ende der sechziger Jahre bringt Mumprecht als einer der ersten Schweizer Künstler das Wort ins Bild.

Mit seinen Sprach -Bildern gelangt der Künstler zu einem eigenständigen und unabhängigen Ausdruck. Seine Wort-und Zahlenbilder öffnen sich zu einem Feld voller poetischer Sprachklänge mit unbegrenzten Assoziati­onsmöglichkeiten: „die Zeichen die ich höre -die Melodien die ich sehe“

Immer wieder tauchen auch musikalische Zeichen und Motive in Mumprechts Werk auf und unterstreichen den klanglichen Charakter seines Schaffens.

Weitere Informationen über den Künstler: www.mumprecht-atelier.ch

(Gutenberg Museum/mc/ps)

Ausstellungsinformationen:
11. Juni bis zum 21. September 2014
Montag / Dienstag: geschlossen, Gruppenbesuche nach Vereinbarung Mittwoch / Freitag / Samstag: 11.00 – 18.00 Uhr Donnerstag: 11.00 – 20.00 Uhr Sonntag: 10.00 – 17.00 Uhr
Kontakt: [email protected] / www.gutenbergmuseum.ch Telefon: 026 347 38 28

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