SGKB investment views: ‐1.4% und niemand spricht von Deflation

SGKB investment views: ‐1.4% und niemand spricht von Deflation

von Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Die Inflationsrate verharrt in der Schweiz im Oktober bei ‐1.4%, was gemäss gängiger Definition Deflation bedeutet. Der Preisrückgang ist gar stärker als bei der Einführung der Euro-Untergrenze 2011, welche von der SNB unter anderem mit dem Kampf gegen die Deflation begründet wurde. Sie ist auch tiefer als 2009 während der stärksten Rezession der letzten Jahrzehnte. Die SNB sieht in ihrer Inflationsprognose die Rückkehr zu einer positiven Inflationsrate erst Ende 2016 und korrigiert diesen Zeitpunkt vierteljährlich nach hinten. Dennoch ist das Wort «Deflation» in den Hintergrund gerückt, nicht nur bei der SNB, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung.

Die Schuldigen für die rückläufigen Preise sind schnell gefunden: der tiefe Ölpreis und der starke Franken. Beide haben einen massgeblichen Einfluss auf die Preise. Die Erdölprodukte sind im Jahresvergleich 18% billiger geworden und die Aufwertung des Frankens nach der Aufhebung der Euro‐Untergrenze hat nicht nur zu billigeren Importgütern, sondern auch zu einem starken Preisdruck im Inland geführt. Euro‐Rabatte sind an der Tagesordnung, nicht nur bei Autos und Möbeln.

Nicht nur Öl und Franken
Wer die tiefen Inflationsraten nur mit diesen Faktoren erklärt, macht es sich aber zu leicht. Der Absturz des Erdölpreises fand im letzten Herbst statt. Der Preis für ein Fass Öl ist in Franken gemessen heute gleich hoch wie im Januar dieses Jahres. Wenn der Ölpreis nicht weiter sinkt, müssten die Inflationsraten in den nächsten Monaten wieder steigen.

Spätestens im ersten Quartal des nächsten Jahres müsste der Öleffekt verschwunden sein. Die SNB sieht die Inflationsrate im ersten Quartal 2016 aber immer noch bei ‐0.9%. Der Franken ist gegenüber dem Euro 10% tiefer als vor einem Jahr. Der Dollar, für die Importe ebenfalls eine bedeutende Währung, handelt aber auf dem gleichen Niveau wie vor einem Jahr. Die Währungseffekte müssten im ersten Quartal des nächsten Jahres ebenfalls verschwunden sein.

Bis die Preiseffekte Öl und Franken die Produktionskette durchlaufen und beim Konsumenten ankommen, geht es eine Weile. Das gilt sowohl für die Preissenkungen als auch für das Auslaufen ihres Einflusses. Aber im zweiten Quartal des nächsten Jahres sollten wir wieder ein von ihnen gereinigtes Inflationsfeld haben. Dennoch sieht die SNB die Inflationsrate bei ‐0.7%. Für den Preisdruck müssen offensichtlich noch andere Faktoren vorhanden sein.

Hohe Preistransparenz – tiefe Transportkosten
Die Ursache beim Internet und der dadurch zunehmenden Preistransparenz zu suchen, ist wahrscheinlich zu einfach und trägt der Komplexität der Inflationsmechanik nicht genügend Rechnung. Die Zunahme des Online‐Handels zeigt aber die Tendenz auf, ein Produkt irgendwo auf der Welt zu kaufen, wenn es nur ein paar Franken billiger ist. Was die Konsumenten machen, machen auch die Unternehmen. Auf der Suche nach Kostenersparnissen suchen sie sich Zulieferer dort, wo sie bei guter Qualität am billigsten sind. Ermöglicht wird dies durch die ins Bodenlose gefallenen Transportkosten. Die Frachtkosten für den Schiffstransport, gemessen am Baltic Dry Index, sind heute 95% tiefer als 2007 und 75% tiefer als im Durchschnitt der letzten 20 Jahre.

Die SNB muss zuwarten
Es ist gut, dass die SNB die Deflationsbekämpfung aus ihrer Rhetorik gestrichen hat. Sonst müsste sie konsequenterweise ihre Geldpolitik deutlich expansiver gestalten und entweder den Franken mit Interventionen massiv abschwächen oder die Zinsen viel stärker in den negativen Bereich drücken. Beides wäre mit massiven Nebenwirkungen und Kollateralschäden verbunden. Dennoch wäre ihr Kampf gegen die deflationären Tendenzen erfolglos. Die Preise werden wieder steigen, wenn die heutigen Überkapazitäten im Transportbereich und bei der Energieproduktion abgebaut sind. Steigende Transportkosten machen es dann schwieriger, den billigen Preis in der Ferne zu suchen. Ein zweiter Faktor für steigende Zinsen wären steigende Löhne aufgrund mangelnder Arbeitskräfte. Dies kann durch die Zentralbanken eher beeinflusst werden als das erste. Es überrascht deshalb nicht, dass Janet Yellen so darauf drängt, die Arbeitslosenrate in den USA nach unten zu drücken. (SGKB/mc/pg)

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