Industrie-KMU sehen weiterhin Existenz durch Frankenstärke bedroht

Industrie-KMU sehen weiterhin Existenz durch Frankenstärke bedroht
(Bild: © christian42 - Fotolia.com)

Bern – Starker Franken und Digitalisierung: Die KMU der Schweizer Maschinenindustrie sehen sich gleich doppelt in ihrer Existenz bedroht. Der KMU-Verband Swissmechanic und die Gewerkschaft Unia untermauern mit einer Studie ihre Forderung nach einem Mindestkurs.

Dass es eher ungewöhnlich ist, dass sie mit dem selben Anliegen an die Öffentlichkeit gehen, verheimlichten Arbeitgeber und Gewerkschafter am Montag in Bern nicht. Verbandspräsident Roland Goethe sagte vor den Medien, er sei immer noch ein bisschen «überrascht», Swissmechanics und Unia im selben Satz zu erwähnen.

Corrado Pardini, Verantwortlicher für das Industrie-Dossier bei der Unia, gestand, dass man sich in Zukunft wahrscheinlich «auch weiter immer wieder streiten» werde. Doch in diesem Fall hätten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefunden: «Das ist ein starkes Zeichen», so der SP-Nationalrat.

Das gemeinsame Anliegen ist die Sorge um die Zukunft der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Maschinenindustrie. Goethe sprach vom einer «doppelten existenziellen Herausforderung». Einerseits beklagte er den weiterhin überbewerteten Franken, der auf die Margen drücke, die gehemmte Investitionsbereitschaft und den schwierigen Zugang zu neuen Krediten.

Andererseits setze die zunehmende Digitalisierung die Unternehmen unter Druck. Grosse Unternehmen könnten den digitalen Wandel leichter durchführen dank mehr finanziellen und personellen Ressourcen – und sich auch mal einen Fehltritt leisten. «Für KMU sind die Spielräume enger», sagte Goethe.

KMU-Sorgen zu wenig beachtet
Pardini sprach von einer Phase des grossen Umbruchs. Gesprochen werde beim Thema Industrie 4.0 meist nur über Grosskonzerne. «Das Herzstück der Schweizer Industrie sind jedoch die KMU, diese besitzen jedoch kaum eine politische Lobby.»

Um den Sorgen der Industrie-KMU mehr Gewicht zu verleihen, gaben Unia und Swissmechanics, der rund 1400 Mitgliederfirmen mit etwa 70’000 Angestellte vertritt, eine Studie in Auftrag. Für diese befragte die Universität St. Gallen (HSG) die Chefs der bei Swissmechanic vertretenen Firmen nach ihren grössten Sorgen und den gewichtigsten Standortnachteilen.

Spitzenreiter im Sorgenbarometer waren die Frankenstärke und sich daraus ergebende negative Folgen. 2015 etwa verzeichneten knapp zwei Drittel der Befragten tiefere Gewinnmargen als im Jahr davor. Beklagt wurde auch die ungenügende Nachfrage.

Existienzielle Bedrohung
Die Studie empfiehlt deshalb, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) ein strategisches Wechselkursziel zwischen 1,18 und 1,20 Franken zum Euro anpeilen soll. Die SNB hatte ihren Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken im Januar 2015 aufgegeben. Das hatte eine starke Aufwertung des Franken nach sich gezogen.

Studienleiter Franz Jaeger sagte, im Moment befinde sich zwar die Schweiz noch in einer guten Situation. Steigende Exporte, eine gute Auftragslage und die globale Stimmung sorgten für ein «Zwischenhoch», so der emeritierte HSG-Professor.

Er warnte jedoch, dass sich die Vergangenheit mit einem Frankenschock durchaus wiederholen könnte. «Die KMU sind an der absoluten Limite ihrer Existenz gekommen.» Momentan gilt ein Kurs von über 1,16 Franken pro Euro. «Dieser Kurs kann jederzeit wieder zurückfallen», zeigte sich Jaeger überzeugt. Die Chance dazu stehe 50 zu 50.

Nun gelte es, sich für künftige Krisen zu wappnen. Denn das Problem der Frankenstärke überlagere sich nun mit der Digitalisierung. Der vorgeschlagene Wechselkurs sei deshalb ein «absolutes Minimum».

Schwieriger Zugang zu Krediten
Studienleiter Jäger sieht grosse Schwierigkeiten auf die KMU zukommen, wenn diese in Zeiten der Digitalisierung nicht in Innovationen investieren könnten. Der Zugang zu frischem Geld durch Kredite stellt aber eine weitere Hauptsorge für die kleineren Unternehmen dar.

Gewerkschafter Pardini sprach von einer «Entfremdung der Banken». Kreditentscheide würden oft in Banken zentral gefällt, wo man nicht wisse, was in den Unternehmen geschehe. Diese Entwicklung sei bei den KMU der Maschinen- und Metallbranche akzentuiert.

Swissmechanic-Präsident Goethe erläuterte zudem, wegen der geringeren Margen hätten die KMU nicht mehr die gleiche Bonität. «Dabei machen immer noch die gleiche Arbeit wie früher.»

Die Studienautoren empfehlen deshalb auch die Förderung alternativer Finanzierungsformen jenseits von Bankkrediten – etwa durch gewerbeorientierte Bürgschaften oder Crowdlending-Plattformen. (awp/mc/ps)

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