Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Es droht die Mutter aller Krisen

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Es droht die Mutter aller Krisen
Laut Moody's macht der chinesische Immobiliensektor mehr als ein Viertel des nationalen BIP aus. Foto: Im Bau befindlicher Wohnkomplex in der Provinz Guizhou.

Von Robert Jakob

Um Corona geht es in diesem Frühherbst erst einmal nicht, sondern um die Immobilienkrise. Die historischen Parallelen sind beängstigend.

Der Immobilienentwickler Country Garden ist in Geldnot, und Evergrande, einst das wertvollste Immobilienunternehmen der Welt, hat in den Vereinigten Staaten schon seit Sommer diskret Gläubigerschutz beantragt. Obwohl die Firmen anglosächsisch klingen, sind beides chinesische Unternehmen, mit blumenreichen Namen und grossen Versprechen in eine goldene Zukunft. Die Realität ist schon länger eine ganz andere. Die zwei chinesischen Aktiengesellschaften werden wohl bald das Gras von unten sehen – zumindest ihre Aktionäre, was ihr Geld betrifft. Ein Antrag auf Liquidation von Evergrande wird am Montag, den 30. Oktober vor einem Gericht in Hongkong verhandelt.

Country Garden hat am 17. Oktober einen Coupon von 15 Millionen Dollar, eine verhältnismässig kleine Summe, nicht bezahlen können. Das Geld für die Auslandsanleihe war bereits vor einem Monat fällig. Die Chinesen liessen die Karenzzeit ungenutzt verstreichen. Damit ist auch Country Garden zahlungsunfähig.

Seit 2021 befindet sich der chinesische Immobilienmarkt in der Krise. Bisher gelten Auslandsverbindlichkeiten chinesischer Immobilienentwickler im Volumen von über 100 Milliarden Dollar als Zahlungsausfall. Das ist mehr als die Hälfte der Auslandsschuld der chinesischen Immobilienbranche.

Ein kompletter Zusammenbruch der beiden grossen Immobilienentwickler Evergrande und Country Garden würde wahrscheinlich eine Finanzkrise auslösen. Country Garden hat 190 Milliarden Dollar Schulden, Evergrande 330 Milliarden. Zum Vergleich: Bei Lehman Brothers, die 2008 die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise einläuteten als wäre es die Glocke an der NYSE, waren es am Ende 200 Milliarden Dollar. Chinas letzte bedeutende Grosspleite war der Touristikkonzern HNA Group mit seinen knapp 100 Milliarden Dollar Schulden. Allerdings war der in China nicht systemrelevant.

Kommt es wie 2008?
Lehman Brothers, Country Garden, Evergrande: Allen drei Krisenunternehmen ist gemein, dass ihre Schulden vor dem Zahlungsausfall dreistellige Milliarden ausmachten, das Eigenkapital aber nur im tiefen einstelligen Bereich lag. Für China bleibt sicherlich nur eine geordnete Abwicklung unter Ausbluten der Gläubiger als Lösung. Daher der peinliche Schritt zum amerikanischen Konkursamt. Gleichzeitig lässt man die ausländischen Schuldner hängen und wird versuchen, für die eigenen Bürger den Schaden so weit wie möglich in Grenzen zu halten. Die Doppelmoral treibt mittlerweile wahrhaft irre Blüten.

Während der Immobiliensektor an die Wand fährt, vertieft China seine bilateralen Beziehungen zu Saudi-Arabien im militärischen Bereich und auf den Finanzmärkten. Der Grundstein für die Annäherung wurde Ende letzten Jahres gelegt, als ein Investitionsabkommen im Umfang von rund 30 Milliarden Dollar abgeschlossen wurde. Neuerdings expandiert die Bank of China nach Saudi-Arabien. Es geht in erster Linie ums Erdöl. Denn von beiden hat nur Saudi-Arabien genug, und China muss es sich aus Russland oder bei den Arabern holen, denn mit den Australiern liegt man ja im Clinch.

Immobilienkrisen sind für die Hälfte aller Finanz- und Wirtschaftskrisen verantwortlich
Sollte China wirklich durch den Zusammenbruch mehrerer Immobilienunternehmen finanziell in die Bredouille kommen, wären auch einige ausländische Kreditgeber wie die Megabank HSBC betroffen. Der Schneeballeffekt wäre beachtlich. Auch finanziell wäre China, dessen Verschuldung in den letzten Jahren rasant angestiegen ist, nicht mehr auf Rosen gebettet. Die Staatsverschuldung, die im Jahr 2000 noch bei gut 20 Prozent lag, hat jetzt gut 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht. China lebt auf Pump und nur mit begrenzten Rohstoffen. Durch die Stützungsmassnahmen und die gravierende Subventionitis wird die Staatsverschuldung in den nächsten Jahren auf 100% ansteigen.

Im Norden des Landes kam es schon zu einem Bank Run auf die Einlagen der Bank of Cangzhou, und selbst grosse Versicherungen fangen zu wackeln an, da sie ihr Geld in die vermeintlich ewig performenden Immobilienentwickler gesteckt hatten.

Der chinesische Immobiliensektor ist über all die Jahre zu einem Molloch geworden, der ein Viertel des Bruttoinlandproduktes ausmacht. Wie so oft wurde von den Spekulanten mit fremdem Geld gebaut was das Zeug hält, ohne sich um demographische Faktoren und Zinsstrukturkurven zu kümmern. Nun dürfen die Bauherren, die Gläubiger und am Schluss die Steuerzahler den Schlamassel ausbaden. Der chinesischen Wirtschaft droht die erste wirklich schwere Wirtschaftskrise seit Jahren.

Allerdings sitzt das Land der Mitte noch immer auf knapp einer Billion amerikanischer Staatsanleihen und noch einmal doppelt so viel Dollar von anderen Schuldnern. Nachdem der Yuan durch die Schwäche der einheimischen Wirtschaft massiv an Wert verloren hat, machen die Treasuries und Auslandsanleihen in Dollar ihrem Namen alle Ehre und sind in Yuan gerechnet trotz Zinsanstieg ordentlich im Wert gestiegen. China könnte mit einem Schlag grosse Mengen dieses Mannas auf den Markt werfen und damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Es könnte sich Geld holen, um die Zwischenfinanzierung seines kranken Immobilienimperium abzusichern und gleichzeitig den US-Dollar als Weltleitwährung schwächen.

Wir werden bald sehen, mit welchen Tricks die Chinesen vor allem Erstes versuchen werden, um ihre Felle vor allem auf Kosten ausländischer Geldgeber zu retten. Ich lecke mir mal den Daumen, halte diesen in den Wind und schätze die Wahrscheinlichkeit einer weltweiten kurzen, aber heftigen Finanz- und Wirtschaftskrise nur auf 10-15%.

Italien schiebt übrigens gerade 2860 Milliarden Euro Schulden vor sich her. Allerdings kann ein Staat nie ganz Pleite gehen. So ist denn auch die Wahrscheinlichkeit gross, dass die chinesische Regierung mit der Gewalt von 1,4 Milliarden Steuerzahlern einspringen wird, um als erstes das Traumschloss der Immobilienhochburg China zu retten.


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