Artur P. Schmidt: Warum stellen wir nicht mehr die Warum-Fragen?

Von Artur P. Schmidt
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Wie sollte dies auch sein, wenn der schnöde Mammon der persönlichen Bereicherung durch immer ausufernde Gehälter die Gehirne der Akteure mit dem Shareholder Value der Aktienkurse gleichgeschaltet hatte. Wir haben es verlernt, die Warum-Fragen zu stellen – Fragen die uns die Kinder immer wieder stellen:


Warum haben wir jahrelang geglaubt, dass Geld auf Bäumen wächst und beliebig vermehrbar ist, ohne zu erkennen, dass die Äste, auf denen wir sitzen, an ihrer eigenen Schuldenlast zusammenbrechen? Warum hat die so genannte Wirtschaftselite zum Treiben in den Finanzetagen der Grossbanken jahrelang geschwiegen, obwohl jeder, der den mathematischen Dreisatz beherrscht, nachrechnen konnte, dass z.B. eine UBS im Verhältnis zur Schweizer Volkwirtschaft viel zu gross geworden ist um eine Krise alleine bewältigen zu können?


Warum haben Politiker zugeschaut wie das schweizerische Bankgeheimnis von Banken zu einem kriminellen Perpetum Mobile der Geldwäsche umfunktioniert wurde? Warum unterstützen wir heute Banken, die sowieso nicht mehr zu retten sind mit der Einführung von Bad Banks und verhindern so, dass das neu gedruckte Geld zur Sanierung von toxischem Swap-Müll und nicht für Innovationen eingesetzt wird? Warum lassen wir es zu, dass Banken, die saniert werden, trotz neuem Geld alte Kredite kündigen und so eine gigantische Kreditklemme und damit Massenarbeitslosigkeit verursachen?



Illustration «?Why» ? des Künstlers Heinz-Josef Mess; Privatsammlung Blue Planet Team Network


Warum konnten Hütchenspieler an der Wallstreet und anderswo jahrelang hemmungslos agieren und die Welt mit Derivaten zumüllen, ohne dass wir uns gefragt haben, wohin dieser Wahnsinn führt? Warum gab es keine weitsichtigen Manager, die diesem Treiben ein Ende gesetzt haben? Warum hat die Politik nicht frühzeitig eingegriffen, um die Exzesse an den Finanzmärkten zu beenden? Warum glauben wir, dass uns nur Wachstum weiterbringt und nicht die Qualität unseres ganzheitlichen Handelns? Warum haben wir Menschen, die keine Kapitalrendite von 25 % erwirtschaftet haben, der Lächerlichkeit preisgegeben? Warum haben wir marktliberalen Ideologen die Zerstörung des Kapitalismus erlaubt? Warum wurden die neoliberalen Wirtschaftsjournalisten der NZZ nicht frühzeitig entlassen, sondern ihnen erlaubt, ein ganzes Volk geistig zu verdummen? Warum haben die Journalisten nicht stärker gegen ein System aufbegehrt, dass sich im Nachhinein als ein erbärmliches Auslaufmodell zeigte?


Warum haben wir so wenige Frauen im Top-Management? Warum sitzen in vielen Parlamenten Volksvertreter, deren intellektuelle Qualität gegen minus unendlich geht? Warum haben wir es zugelassen, dass die Handlanger des Neoliberalismus alle führenden Positionen erklommen haben und heute mit ihrem Filz und ihrer Vernetzung nichts anderes zustande bringen als das Alte zu Tode zu verwalten? Warum schauen wir zu, wie die westlichen Demokratien längst nicht mehr demokratisch sind, sondern zu Willküranstalten ohne Ethik und Moral verkommen? Warum machen wir mit kriminellen Ländern wie China Geschäfte, die die Menschenrechte mit Füssen treten und auch vor Völkermord nicht zurückschrecken? Warum lassen wir es zu, dass ein trauriges Establishment permanent Partys feiert, während die Arbeitslosigkeit ständig neue Rekordstände erreicht? Warum rollen wir den korruptesten Diktatoren den roten Teppich aus, wenn diese mit einem Auftrag drohen?


Warum ändern wir nicht die Spielregeln des Kapitalismus? Warum verstehen viele Wirtschaftsführer, die Afrika ausbeuten, nicht, dass man Geld nicht essen kann? Warum erkennen wir nicht, dass die Ursache des heutigen Wachstumswettlaufs im heutigen Zinssystem liegt? Warum haben wir das kybernetische Denken, welches auf Erkennung der Wechselwirkungen beruht aus allen Lehrstühlen verdammt? Warum haben wir überall nur noch Spezialisten und keine Generalisten mehr? Warum verschliessen wir die Augen vor der Realität, dass wir neue Lösungen brauchen, um die Probleme der Zukunft zu bewältigen? Warum bringen wir nicht diejenigen Querdenker in führende Positionen, die seit Jahren vor den Entwicklungen gewarnt haben? Warum designen wir nicht politische Systeme, die nicht für Wahlperioden aufgebaut werden, sondern über Jahrzehnte die Zukunft sichern? Warum sind alle Lenkungssysteme in Wirtschaft und Politik für den Blindflug optimiert, bei dem man unweigerlich an den Schuldengebirgen zerschellt? Warum erkennen viele Top-Manager und Politiker immer noch nicht, dass Sinn nicht dadurch entsteht, dass man immer mehr Unsinn anrichtet?


Warum machen wir nicht einfach in unserem alltäglichen Leben eine kleine Revolution, indem wir widersprechen, aufbegehren, kündigen und neue Firmen gründen? Warum initialisieren wir nicht einfach, nachdem wir ja heute sogar Versager recyceln, ein Kapitalismus-Recycling?





Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit  der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag (www.ewk-verlag.de ) erschienen ist, heisst  «Unter Bankstern».

Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com , www.wallstreetcockpit.com , www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH (www.cockpit.li ). Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.

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