EZB signalisiert Bereitschaft zu Zinserhöhung – ‹Hohe Wachsamkeit›

«Wir sind jederzeit bereit zu handeln, wann immer dies notwendig ist», sagte Trichet am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des EZB-Rats. Derzeit seien die Zinsen aber «immer noch angemessen». «Wir haben das Für und Wider einer Zinserhöhung diskutiert. Grosse Wachsamkeit ist angebracht», sagte der EZB-Chef. Auf die Frage zur künftigen Zinspolitik sagte Trichet: «Wir werden niemandem irgendwelche Versprechen machen. So einfach ist das.»


Weiterhin Wachsamkeit erforderlich
Wegen der von hohen Ölpreisen angeheizten Inflation und des hohen Geldmengenwachstums ist Trichet zufolge weiterhin «hohe Wachsamkeit» erforderlich. Er wiederholte damit seine Worte, die er vor vier Wochen auf der Pressekonferenz in Athen nach der Zinsentscheidung gebraucht hatte. Zuvor hatte die EZB die Formulierungen «mit Wachsamkeit» oder «besonderer Wachsamkeit» verwendet. Beobachteter werteten den veränderten Tonfall als Vorbereitung der Finanzmärkte auf steigende Zinsen. Nach Schätzung der EZB wird die Inflationsrate in diesem Jahr über der Zwei-Prozent-Marke liegen, bis zu der die Notenbank Preisstabilität – ihr oberstes Ziel – gewährleistet sieht.


Erste Zinserhöhung seit 5 Jahren
Die EZB hatte zuvor ihren Leitzins wie erwartet bei zwei Prozent belassen. Die meisten Volkswirte rechnen angesichts der hohen Inflation mit einer Zinserhöhung spätestens im ersten Halbjahr 2006. Einige Ökonomen erwarten schon im Dezember eine Zinserhöhung. Es wäre die erste Zinsänderung seit Juni 2003 und die erste Zinserhöhung seit Oktober 2000.


Hohe Inflation bei gleichbleibender Konjunkturerholung
Die EZB hält sich nach Einschätzung von Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert die Tür für eine Zinserhöhung im Dezember offen. «Im Ton ist zwar keine Verschärfung zu erkennen. Die Währungshüter haben aber etwas andere Nuancen gesetzt und ihre Handlungsbereitschaft signalisiert», sagte Schubert. Die EZB warte offenbar noch auf Daten, die das Bild einer hohen Inflation bei gleichzeitiger Fortsetzung der Konjunkturerholung bestätigen.


Ölpreis ist die grösste Gefahr
Für das zweite Halbjahr erwartet Trichet weiterhin eine «allmähliche Konjunkturerholung». Die wichtigste Gefahr für die Konjunkturerholung sieht der Währungshüter im hohen Ölpreis. Auch das geringe Verbrauchervertrauen und globale Ungleichgewichte bezeichnete Trichet als Risiko für die Wirtschaftserholung.


Attraktivität für den Euro
Der Eurokurs blieb nach den Äusserungen des EZB-Präsidenten und robusten US-Konjunkturdaten unter die Marke von 1,20 Dollar. Einige Anleger hatten offenbar auf klarere Hinweise auf eine baldige Zinserhöhung spekuliert. Steigende Zinsen würden den Euro für Anleger attraktiver machen. (awp/mc/ab)

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