Jürgen Pulm, COO RBS Coutts

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Pulm, mit der Umfirmierung und der Einführung eines neuen Bankensystems haben Sie zu Jahresbeginn zwei grosse Feuerwerke gezündet. Was war der Grund für die Umfirmierung von Coutts Bank von Ernst zur RBS Coutts und welche Verbesserungen erwarten Sie durch den neuen Namen?


Jürgen Pulm: Die neue Marke reflektiert, wofür wir stehen und was unsere Stärken sind: Wir gehören, wie unsere Schwestergesellschaft Coutts & Co in Grossbritannien, zur RBS Group. Unseren Kunden können wir die Leistungsstärke und Stabilität von RBS als einer führenden europäischen Finanzgruppe bieten und zugleich den exklusiven Private Banking Service, der mit der britischen Traditionsmarke Coutts verbunden wird. Die Marke RBS Coutts zeigt diesen USP in kompakter Form und passt zu unserer Ambition, international zu wachsen. 



«Früh im Jahr 2007 wurde klar, dass für die Bank wesentliche Prozesse im Zusammenhang mit unserem internationalen Hubkonzept mit dieser Version nicht abgedeckt waren. So wurde entschieden, als Evolutionspartner den neuen Release 2.6 einzuführen.» Jürgen Pulm, COO RBS Coutts


Aufwändiger als die Umfirmierung war die Einführung eines neuen Bankensystems gleichzeitig an vier internationalen Standorten (Schweiz, Hongkong, Singapur, Isle of Man) für insgesamt 1’000 Benutzer. Am 3. Januar musste der Bankenbetrieb auf dem neuen System laufen. Wie sah der Zeitplan für die Einführung aus, und wie gut konnte er eingehalten werden?


Bedenkt man die besondere Herausforderung einer internationalen Systemeinführung, so darf ich sagen: wir haben einen sportlichen Zeitplan realisiert. Die eigentliche Kernprozesslaufzeit mit entsprechendem Projektstaffing lief von Februar 2007 bis Jahresende. Das ist nicht viel für das, was wir im Projekt erarbeitet haben. Da wir aus der Schweiz heraus die Plattform für die Abwicklung des internationalen Geschäfts bereitstellen, mussten wir nicht nur unterschiedliche Anforderungen in der Entwicklung der Plattform berücksichtigen, sondern auch ständig in den schmalen Zeitfenstern zwischen den Arbeitszeiten in Asien und Europa arbeiten, zum Beispiel beim Testing. Die Herausforderung war: Anspruchsvolle Systementwicklung in begrenzter Zeit.


Wie in allen Avaloqprojekten hat sich unser Vorgehen sehr stark an der Einführung der Modellbank orientiert. Dabei war ursprünglich vorgesehen, ein sogenanntes Implementierungsprojekt auf Avaloq Release 2.5 vorzunehmen. Früh im Jahr 2007 wurde klar, dass für die Bank wesentliche Prozesse im Zusammenhang mit unserem internationalen Hubkonzept mit dieser Version nicht abgedeckt waren. So wurde entschieden, als Evolutionspartner den neuen Release 2.6 einzuführen. Dieses hatte natürlich Einfluss auf das Projekt, da hiermit eine Abhängigkeit von Lieferungen der neu entwickelten Funktionalitäten entstand. Verbunden mit der engen Timeline war die Lieferung der Milestones eine echte Herausforderung und der eine oder andere Milestone war gefährdet. Insbesondere im letzten Monat vor dem Go-live war daher die Arbeitsbelastung sehr hoch und wir haben viele anspruchsvolle Detailthemen, zum Beispiel das Money Market Modul erst in den letzten Wochen abschliessen können.


Wir wussten schon vor dem Go-live, dass wir bereit waren, das System live zu schalten, aber dass wir anschliessend noch einige Wochen weiterarbeiten würden, um letzte Details abzurunden. Und so ist es nun auch. Dass wir letztlich planmässig unser Ziel erreicht haben, ist einem grossartigen Team zu verdanken.


Nachdem die Einführung auf den Stichtag des 03. Januars glückte, war die Monatsendverarbeitung ein weiterer Meilenstein. Wie ging diese über die Bühne?


Die Monatsendverarbeitung war in der Tat eine weitere echte Herausforderung. Wir hatten frühzeitig eine Task Force mit der Aufgabe betraut, die Vorbereitung des End of Month vorzunehmen. Auch dieses war eine anspruchsvolle und unter hohem Zeitdruck stehende Arbeit, die jedoch erfolgreich absolviert wurde, so dass die Monatsendverarbeitung ohne nennenswerte Probleme verlaufen ist.


Vier Standorte in verschiedenen Zeitzonen einzuführen erfordert eine Betreuung fast rund um die Uhr. Wie wurde die technische und kommunikative Betreuung während der Umstellung gewährleistet und wie gross wird das Support-Team im normalen Betrieb sein?


Der Arbeitstag in Asien beginnt um 01.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Wenn unser Arbeitstag hier gegen 18.00 Uhr endet, sind bereits 17.00 Stunden vergangen mit einem nur kurzen zeitlichen Overlap. Dieses stellt in der Tat eine echte Herausforderung dar. Wir haben viel in die Kommunikation zwischen den Teams investiert, doch kann man hier nie genug tun. Für den Support haben wir lokale Service Desks, die den First Level Support abarbeiten. Diese greifen dann auf den Second Level Support bei der COMIT zu. Mehr anekdotisch verlief der Cutover zum Jahresende. Hier waren in der Tat die Kollegen in Asien in einer interessanten Situation. Durch ein Problem im Datacenter der SCIS hatten wir eine Verzögerung in der Migration von ca. 5 Stunden, so konnten unsere asiatischen Kollegen ihre Migrationschecks erst gegen 24 Uhr Ortszeit vornehmen, für einige Kollegen nun wirklich eine schlaflose Nacht. Entsprechend konnten wir das finale «Go» für den Wechsel auf Avaloq erst ca. 1 Stunde vor dem Geschäftsbeginn in Asien treffen.


So fundamentale Systemwechsel gehen meist nicht problemlos über die Bühne. Was waren die grössten Probleme, die Sie bewältigen mussten und wie haben Sie diese gelöst?


In der Tat gab es die unterschiedlichsten Probleme. Eine der grossen Herausforderungen war sicherlich die Kommunikation. Hier haben wir darauf gesetzt, sehr zeitnah und im Zweifelsfalle zu viel zu kommunizieren. Auch auf Projektseite gab es viele Herausforderungen, so hatte der letzte geplante Migrationstest noch kein zufrieden stellendes Ergebnis gebracht, so dass wir dann eben über Weihnachten unseren fünf kompletten Migrationstest gefahren haben.


Ein anderes Beispiel waren Performanceproblem am dritten Test- und Training-Tag. Sie waren zurückzuführen auf ein falsches Sizing des Systems. Das Problem konnte kurzfristig gelöst werden. Eine der grössten Schwierigkeiten waren die hohen Abhängigkeiten im Projekt, so dass erst sehr spät im Projekt der Fertigstellungsgrad auf ein zufrieden stellendes Niveau kam. Wir haben hier sehr aktiv die Abhängigkeiten gemanagt und die Themen zeitlich priorisiert, die Abhängigkeiten für andere Themen bildeten.


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Ihre Bank hatte sich in der Projektorganisation für einen externen Generalunternehmer  entschieden (GU). Zum Schluss des Projektes haben Sie mit einem Managementteam der Bank einen substantiellen Teil der Aufgaben in eigener Verantwortung wahrgenommen. Würden Sie in einem ähnlichen Projekt wieder einen GU mit der Durchführung beauftragen?


Die Antwort ist ja und nein. Von der Beauftragung eines Generalunternehmers darf man sich als Vorteil versprechen, dass das Schnittstellenmanagement in eine Hand gegeben ist. Gleichzeitig ist klar, dass ein Generalunternehmer nicht in jedem erfolgskritischen Feld über Spezialwissen im notwendigen Detaillierungsgrad verfügt. Wir haben diesen typischen Zielkonflikt gelöst, indem wir das Team in der kritischen Phase des Projekt noch einmal mit Spezialisten aus den eigenen Reihen gezielt verstärkt haben.



«Ganz konkret sehen unsere Kunden an den verbesserten monatlichen Porfolio-Übersichten, das wir unser IT-System umgestellt haben. Sie sind grafisch sehr übersichtlich gestaltet und enthalten zusätzliche Informationen, die für die Kunden ein Zusatznutzen sind.»


Welche Änderungen bringt der Wechsel des Bankensystems für Ihre Kunden, welche Resultate sieht er von diesem Grossprojekt?


Ganz konkret sehen unsere Kunden an den verbesserten monatlichen Porfolio-Übersichten, das wir unser IT-System umgestellt haben. Sie sind grafisch sehr übersichtlich gestaltet und enthalten zusätzliche Informationen, die für die Kunden ein Zusatznutzen sind. Andere Vorteile sind für den Kunden weniger sichtbar, zum Beispiel die vereinfachten Prozesse, mit denen unsere Kundenberater und unser Backoffice im System arbeiten können. Nicht zuletzt haben wir eine flexiblere und skalierbare Plattform eingeführt, weil wir wachsen wollen. Auch das ist für Kunden wichtig: Dass sie bei einer stabilen und wachstumsorientierten Bank sind, die kontinuierlich die Qualität der Leistungserbringung verbessert.


Sämtliche Kundenberater wurden in Trainingseinheiten mit bis zu 800 Personen  am neuen System geschult. Wie sind die Reaktionen der Benutzer auf das neue System, welche Vor- und Nachteile ergeben sich in der täglichen Arbeit?


Für die Kundenberater ist es eine zusätzliche Belastung, neben ihrer täglichen Arbeit ein neues System zu erlernen und in der ersten Zeit dazu beizutragen, die Kinderkrankheiten der Plattform zu heilen. Da notwendige Tests nicht während der Bürozeiten durchgeführt werden konnten, gab es auch für die Kundenberater mehrfach Wochenendarbeit. Rund um den Go-live sind es sicherlich 4-5 Monate, in denen auch die Kundenberater den Systemwechsel spüren. Das ist anstrengend und es hilft, wenn alle, wie in unserem Projekt, vom Ziel überzeugt sind. Doch unsere Kundenberater sehen eindeutig den Wert des neuen Systems.



«Wir konnten unsere historisch gewachsene Systemlandschaft erheblich vereinfachen. 15 Systeme konnten wir durch Avaloq ablösen.»


Systemtechnisch bietet die Einführung eines neuen Bankensystems immer auch die Chance, die Anzahl vorhandener Systeme zu reduzieren, Schnittstellen zu vereinfachen. Welche konkreten Resultate konnten Sie hier mit der Einführung des Avaloq Banking Systems erzielen?


Wir konnten unsere historisch gewachsene Systemlandschaft erheblich vereinfachen. 15 Systeme konnten wir durch Avaloq ablösen. Das vereinfacht für Nutzer einiges, die notwendige Funktionalitäten nun in einem System finden, das hat aber auch positive Effekte auf die Performance, Stabilität und Maintenance der Systeme. Gerade für unsere Kundenberater liegt hier einer der wesentlichen Mehrwerte. Anstatt wie früher in vier Systemen finden sie nun alle Informationen, die sie für ihr Kundengeschäft benötigt, in einem System.


Wie hoch ist die Gesamtinvestition dieses Projektes und wie berechnen Sie den ROI?


Die Investion betrug einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Auf der Seite der laufenden IT Kosten konnten wir für den relevanten Bereich vor Abschreibungen eine deutliche Kostenreduktion erreichen. Auch nach Abschreibungen bringt das Projekt bereits alleine aus dieser Optik vom ersten Jahr an einen positiven Ergebnisbeitrag. Zudem haben wir noch zusätzliche Potentiale aus möglichen Prozessoptimierungen, die wir aber nicht im Business Case reflektiert haben. 


Nach dem definitiven Projektabschluss Ende März, was sind die nächsten Phasen im Betrieb und welche weiteren Entwicklungen am System sind geplant?


Wir rechnen damit, noch etwa bis Ende Februar / Anfang März das System im Detail zu verfeinern und in allen Funktionalitäten abzurunden. Nach einigen Monaten werden wir dann die nächste Phase der Systemeinführung einläuten. Wir werden ein Re-Engineering unserer Prozesse vornehmen, um die Optimierungsmöglichkeiten, die sich aus Avaloq ergeben, auch ernten zu können.


Wenn Sie zurückblicken auf das Projekt, was waren die wichtigsten Erkenntnisse, die Sie gewonnen haben?


Mit einem klaren Ziel vor Augen, kann eine Organisation Erstaunliches leisten.


















Systeminformationen
 
Avaloq Release 2.6.CX.2
 
Datenbank Oracle 10.2.0.3
 
Hardware IBM p590
32 Dual-CPUs
192 GB Memory
5 TB Disk
 
Anzahl Benutzer ca. 1’000
 






Der Gesprächspartner:
Dr. Jürgen Pulm ist seit 2006 Chief Operating Officer, stellvertretender CEO und Mitglied der Geschäftsleitung von Coutts Bank von Ernst AG. Er ist verantwortlich für die Bereiche Finance, Operations, IT wie auch Business Development. Zuvor war er seit 2002 als CIO in der Konzernleitung der Julius Bär. Bei Credit Suisse Private Banking International war Jürgen Pulm Head of IT und Operations. Seine Karriere startete er bei der Deutschen Bank 1990 wo er vor seinem Wechsel zur Credit Suisse als Mitglied der Geschäftsleitung der Private Banking Division für E-Commerce und Technologie verantwortlich war.


RBS Coutts
RBS Coutts ist Teil der The Royal Bank of Scotland Group plc, die 1727 gegründet wurde und heute zu den weltweit grössten Finanzdienstleistungskonzernen (AA+, Fitch) zählt. Mit ihrem Hauptsitz in Zürich und Geschäftsstellen in der ganzen Schweiz sowie rund um den Globus bietet RBS Coutts ihrer Kundschaft mehrfach preisgekrönte Vermögensverwaltungsdienstleistungen und verbindet diese mit einem hohen Mass an individueller Betreuung und Diskretion.


Gegründet im Jahr 1692 in Grossbritannien, hat Coutts über die Jahrhunderte hinweg viele berühmte Persönlichkeiten zu ihrer Kundschaft gezählt: Charles Dickens, Frederic Chopin oder Lord Alfred Tennyson, um nur einige zu nennen. Auch in der Schweiz spielen Kontinuität und Tradition in der Geschichte von Coutts ebenso wie in der Geschichte der Bank von Ernst eine Rolle, hier schlossen sich beide Institute im Oktober 2004 zusammen. Die Bank von Ernst wurde 1869 in Bern von Vinzenz von Ernst gegründet und hatte das Geschäft mit einer hochklassigen Privatkundschaft im Visier. Die Wurzeln von Coutts in der Schweiz reichen bis in Jahr 1930 zurück. 1953 wurde dann das Vorgängerinstitut von Coutts in Zürich in Handelsbank umbenannt und mit dem Wechsel des Stammhauses zu NatWest in 1975 änderte sich der Name des Instituts in Handelsbank N.W. Im Jahr 1997 übernahm die Bank schliesslich die Marke Coutts und wurde zur Coutts Bank (Schweiz) AG. Zu Beginn 2008 wurde die Bank von Coutts Bank von Ernst zur RBS Coutts umfirmiert. Heute ist RBS Coutts als viertgrösste Auslandbank in der Schweiz etabliert.

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