Nostalgische Genussmeile Saas-Fee: Beim Essen und Reden werden Fremde zu Freunden. Oder wie Bonscheggel und Heida die Welt verändern.

Von Helmuth Fuchs







Raclette hat als kulinarisches Erbe des Wallis seinen unbestrittenen Platz in der Schweizer Küche gefunden. Wer aber weiss schon ausserhalb des Saastales, was «Cholera», «Bonscheggel» oder «Saaser Gsottus mit brünum Chabus» ist? Um die eigenen kulinarischen Wurzeln wieder zu entdecken, auszugraben und für kommende Generationen zu bewahren, hat der Hoteliersverein Saas-Fee letztes Jahr zum 125-jährigen Jubiläum sich, die Saastaler und die Gäste in Saas-Fee mit der «Nostalgischen Genussmeile» beschenkt. Was als einmaliger Anlass gedacht war, hat bei den Gästen, Hoteliers und Wirten so viel Begeisterung ausgelöst, dass der Anlass dieses Jahr wiederholt wurde und schon für nächstes Jahr wieder geplant wird. Die kulinarische Tradition der einfachen, frischen und durchaus kalorienreichen Küche


Saas-Fee lädt zu Tische vor atemberaubender Kulisse

nährt somit eine entstehende Tradition des genussvollen Zusammenseins von Gästen und Einheimischen in Saas-Fee.

Gletscher-Clara und Schäfer-Freggi

Die Bewohner des Saastales lassen an diesem Tag mit den traditionellen Gerichten auch ihre Sagen-Figuren wie Feen, Personen, die das Leben aus dem Tal zuweilen bis über die Landesgrenzen geprägt haben, wie die «Gletscher-Clara», oder Originale wie den «Schäfer-Freggi» wieder aufleben. Dazwischen sieht man Skifahrer und Bergsteiger in der Ausrüstung aus den Anfängen des Alpinismus. Alphornbläser, Ländlerformationen und Jagdbläser sorgen für die akustische Kulisse, sorgfältig herausgeputzte Frauen in Saaser Sonntagstrachten beleben das Dorfbild genau so wie Kinder in einfachen Alltagstrachten aus vergangenen Zeiten.


nbsp; Alle Sinne kommen zum Zuge. Nach Augen und Gaumen auch die Ohren


Hang-loose beim Hängerto
Das Geheimnis, dass dieser Anlass nicht in die Beliebigkeit rutscht oder zur Clownerie verkommt, liegt bei den Saasini (Bewohner von Saas). Sie sind offenbar stolz auf ihr Erbe und wollen dieses pflegen. Saas-Fee hat den ursprünglichen Lebensrhythmus des Bergdorfes noch nicht verloren. Das Lebensgefühl im Saastal ist eine Mischung zwischen knorrigem Berglertum und mediterraner Lebensfreude. Hier das Bedächtige, Abwägende, das Wissen um das Gewachsene, dort das Neugierige, Offene und die Liebe zum Gespräch. Die besondere Form des Klatschens und Tratschens wird hier «Hängerto» genannt und kommt dem «hang loose» der kalifornischen Beach-Generation sehr nahe. Am Tag der Nostalgischen Genussmeile werden die alten Rezepte, Sagen, Lieder und Gedichte wieder ins Bewusstsein der Talbevölkerung gerufen. Zeitzeugen berichten aus den Tagen, in denen Essen eher eine Frage des Überlebens als des Genusses und Sagen mehr Lebensschule als Unterhaltung waren. Schön, wenn das Beste aus vergangener Zeit nicht einfach dem Vergessen überlassen, sondern mindestens einmal im Jahr lustvoll in Saas-Fee zelebriert wird.








Überleben im Gedächtnis der Jungen
Die Saasini lachen gern und ausgiebig, wenn sie in Gesellschaft sind. Auf der Nostalgischen Genussmeile bieten sich Platz und Gelegenheit für Gespräche und Begegnungen. Hier setzen sich die Anthamattens, Bumanns, Imsengs und Zurbriggens zu Tisch im Freien, mitten unter die Gäste aus dem eigenen Land, Deutschland, Holland oder Frankreich. Ein über 80-jähriger Einheimischer meint verschmitzt: «Das Schöne am Leben ist, dass hier alle älter werden, nur ich bin immer gleich jung».
 
 
Das Leben entwickelt sich um das Zentrum, das man selbst ist. Die Endgültigkeit des Talkessels fördert bei den Saasini die Neugier am Unbekannten und eine eigene Liebe zum Werdenden. So freuen sich die Alten über die herumrennenden Kinder, die hier ganz selbstverständlich Teil des Festes sind. Hier werden Traditionen überliefert, Geschichten und Sagen von Generation zu Generation weiter gegeben. Die Alten wissen, dass sie nur überleben, wenn sie im Gedächtnis der Jungen nicht verloren gehen. Dass der Erlös des Anlasses einer karitativen Institution für Kinder im Oberwallis zugute kommt, ist ein weiteres Zeichen dieses Bewusstseins.


 


Stoff für Geschichten, Schafe für den Schmuggel
Die Nostalgische Genussmeile ist viel mehr als ein einfaches kulinarisches Ereignis. Der Tag gibt den Bewohnern des Saastals Gelegenheit, sich ihrer Einzigartigkeit bewusst zu werden, ihren traditionellen Speisen, der eigenen Sprache, der Musik, den Trachten, ihren Dorf-Originalen und unverwechselbaren Typen, denen sie in Sagen und Märchen ein Denkmal gesetzt haben, nochmals zu begegnen. Was zeitweise in der rasanten Entwicklung der letzten 50 Jahre verloren ging, taucht an diesem Tag in Fragmenten oder vollständig wieder auf und wird leidenschaftlich gerne mit den Gästen aus der nahen Umgebung und aus fernen Ländern geteilt. So kann sich zum Beispiel die 77-jährige Erika Bumann noch gut daran erinnern, wie in ihrer Familie der Schmuggel von Schafen und Stoffen die Haushaltskasse mit aufzubessern half. Sie hat in ihrer Jugend mit dem Vater, einem Bergführer, alle Berge rund um Saas-Fee bestiegen. Heute noch erkundet sie die Umgebung auf ausgedehnten Wanderungen. Ihre 7 Kinder, die mit einer Ausnahme alle in der Hotellerie in Saas-Fee tätig sind, und die 15 Enkel schreiben mit Begeisterung die Geschichte der alteingesessenen Saaser Familie weiter.


nbsp; Er wäre wohl lieber nicht Teil der Nostalgischen Genussmeile


Nicht von Einem zu viel, sondern von Vielem etwas
Die grösste Herausforderung für die Gäste der Nostalgischen Genussmeile ist, sich nicht am ersten Tisch niederzulassen und dort den Rest des Tages bei einem guten Wein, verführerischen Speisen und spannenden Gesprächen zu verbringen. Nicht von Einem zu viel, dafür von Vielem etwas, hinter Gesichtern Geschichten kennen lernen. Eine kleine eintägige, genussvolle Lebensschule, durch die einen die Saasini gerne begleiten.


Der nächste Tag der Nostalgischen Genussmeile in Saas-Fee findet am Sonntag, 07. September 2008 statt.






Das längste Raviolo der Welt
Da bei der Nostalgischen Genussmeile auch die spielerische Spannung nicht zu kurz kommen sollte, haben sich die Köche der KüchenArt Saas Tal unter Regie von Markus Neff vom Waldhotel Fletschhorn in Saas-Fee, GaultMillau-Koch des Jahres 2007, und von Jörg Walter, Chefkoch im FerienArt, etwas Besonderes einfallen lassen. Das längste Raviolo der Welt sollte hergestellt werden in einer 24 Meter langen Dachrinne. Dazu musste der Raviolo-Teig an einem Stück produziert, die Kalbfleisch-Füllung platziert und dann das Raviolo luftdicht verschlossen werden. Dutzende von geschickten Händen waren dazu notwendig. Das fertig verschlossene Raviolo wurde danach mit siedendem Wasser übergossen und in der von Bunsenbrennern erhitzten Dachrinne gekocht. Nach dem Ablassen des Wassers kam eine schmackhafte Trüffelsosse dazu und der Weltrekord mit Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde mit offiziell gemessenen 23,91 Metern konnte mit den zahlreichen Gästen und Einheimischen als krönender Abschluss der Nostalgischen Genussmeile gebührend gefeiert werden.

Konzentrierte Arbeit am längsten Raviolo der Welt (Bild: Radio Rottu)



Hoteltipp: FerienArt Saas-Fee
Mitten im autofreien und romantischen Saas-Fee gelegen und umgeben von einer atemberaubenden Berglandschaft liegt das Fünfsternhotel «Ferienart Resort & Spa» mit 83 wunderschönen Zimmern, Suiten und Familienappartments.Von gemütlich rustikal bis modern oder luxuriös findet sich für jeden Geschmack das Richtige. 5 verschiedene Restaurants runden dieses fantastische Angebot kulinarisch ab. Weitere Informationen…


Lesetipp: Saas-Fee und die Gletscher-Clara
von Otto Supersaxo. Weitere Informationen?

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