Nahrungsmittel-Industrie für Agrar- und Lebensmittel-Freihandel mit EU

Nicht zuletzt an sie wandte sich darum Rolf Schweiger, Präsident der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittelindustrien (fial), als er am Montag vor den Medien in Bern die Argumente für den Agrar- und Lebensmittelfreihandel mit der EU darlegte. Der Schweizer Markt sei gesättigt. Marktanteile liessen sich nur noch durch Verdrängung erobern, sagte der Zuger FDP-Ständerat.


Doppelt so viel Kaffee verkauft
Anders in der EU: Roland Decorvent, Generaldirektor von Nestlé Suisse SA, illustrierte das Potenzial anhand des bereits liberalisierten Kaffee-Marktes. Innerhalb von fünf Jahren konnte sein Unternehmen den Kaffee-Export in die EU verdoppeln. Ähnliche Wachstumsraten hält Decorvent bei anderen Produkten für möglich, insbesondere bei solchen, die aus Schweizer Rohstoffen hergestellt sind und sich mit «Swissness» aufladen lassen.


Landwirtschaftsprodukte im EU-Vergleich zu teuer
Gerade Schweizer Landwirtschaftsprodukte sind nach Ansicht von Branchenvertretern im Vergleich mit der EU aber noch zu teuer. Nestlé etwa zahlt in der Schweiz mehr als doppelt so viel für ein Kilogramm Butter wie in Deutschland. Auch Vollmilchpulver, Mehl, Milch oder Zuckerrüben kosten markant mehr.  Diese Preisdifferenz wird heute teilweise kompensiert durch Ausgleichszahlungen, welche aber im Rahmen der Doha-Runde der WTO nach und nach wegfallen dürften. Umso dringender sei für die Nahrungsmittelbranche ein Freihandelsabkommen mit der EU, sagte Schweiger. Nur so liessen sich die Preise auf europäisches Niveau senken.


Quadratur des Kreises
Federn lassen müssten dabei die Schweizer Bauern, die aus diesem Grund den Agrarfreihandel mit der EU heftig bekämpfen. Den Schweizerischen Bauernverband als Gegner kann die Industrie aber nicht ignorieren. Ihre Vertreter bemühten sich denn auch nach Kräften, die Bedenken der Bauern auszuräumen.


Bauern mit Enthusiasmus der Industrie anstecken
Walter Huber, Chef des Departements Industrie des Migros-Genossenschaftsbundes, sprach deshalb von einer «Partnerschaft» von Migros und Schweizer Landwirtschaft. Werner Hug vom gleichnamigen Guetsli-Hersteller betonte die Bedeutung der Schweizer Rohstoffe für sein Unternehmen. Schweiger erhob den Agrarfreihandel mit der EU gar zur Existenzfrage für die Bauern: «Die Frage ist: Will die Landwirtschaft in der Schweiz eine Chance haben?» Es sei aber sein Ziel, die Bauern mit dem Enthusiasmus der Industrie anzustecken.


Kritik in der Branche
Diesen teilen aber nicht einmal alle im Verband organisierten Unternehmen. 12 der 16 Branchen der fial befürworten laut Schweiger den Abschluss eines Freihandelsabkommens, die Hefe- sowie die Öl- und Fettindustrie lehnen es ab. Kritisch ist die Haltung der Konserven-, Kühl- und Tiefkühlprodukte-Hersteller, abwartend sind die Müller. Auch die fial insgesamt macht darum ihre Zustimmung von Übergangsfristen und Begleitmassnahmen für die Landwirtschaft und landwirtschaftsnahe Herstellerfirmen abhängig. Diese werden derzeit von einer vom Bundesrat eingesetzten Arbeitsgruppe ausgearbeitet. Die Verhandlungen mit der EU laufen seit Anfang November 2008. (awp/mc/ps/27)

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